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Die Eleganz von Zigarettenschachteln

■ Scharfe Fachkritik an den bei der Weltmeisterschaft der Fußballer ins Feld geführten Gewändern

PRESS-SCHLAG

Kleider machen Leute - aber ganz gewiß keine Weltmeister, wenn man den harschen Worten von Modedesignerinnen und -designern glauben kann, die die Trikots, mit denen sich die Fußballer bei der Weltmeisterschaft an die Öffentlichkeit wagten, einer eingehenden Begutachtung unterzogen und ein angewidert-vernichtendes Urteil fällten. Insbesondere die italienischen Spezialistinnen und Spezialisten für betuchte Leiber ließen praktisch keine gute Faser an den unfreiwilligen Dressmännern, von denen sie nicht nur verlangten, zu schwitzen und zu rennen wie die Besengten, sondern auch noch einen modisch gesehen einwandfreien Eindruck zu hinterlassen.

Am besten schnitten noch die Engländer ab, die auf allen Schnickschnack verzichtet und wie immer in plumpen weißen Leibchen dem Ball nachgesetzt hatten. Damit entsprachen sie offensichtlich weitgehend dem, was die zeitgenössische Modeschöpfung für en vogue erachtet. Der Tracht der Schotten wurde sogar das bescheinigt, was ihrem Spiele am allermeisten fehlte: Eleganz. Auch Kamerun gefiel der Jurorenriege durch die „gut aufeinander abgestimmten Farben“ der Oberbekleidung, und selbst die Italiener, denen Salvatore Schillaci diesmal ihren angestammten Titel des „bestfrisierten Teams“ versaut hatte, kamen mit einem blauen Auge davon. Gerügt wurde zwar das unbotmäßige Glänzen und die ungehörige Weite der Hemden, aber immerhin hätte die „squadra azzurra“ Streifen, Bändern und „Motiven aus der Welt der Verkehrszeichen“ widerstanden.

Für die anderen Mannschaften kam es knüppeldick, besonders für deren Torhüter, die der Modejournalistin Laura Dubini „wie aus Comics entlaufen“ vorkamen. Besonders das „metallisierte“ Trikot Walter Zengas, der sich anscheinend „für eine Weltraumfahrt“ gerüstet habe, verursachte der guten Frau Magenweh, während sie der österreichische Keeper Lindenberger an „Spiderman“ gemahnte. Mit Freude sah Signora Dubini das Ausscheiden der geschmacklosen Jugoslawen, Rumänen und Österreicher „mit ihrem Bündel gewundener schwarzer Bänder“ auf der Brust. Dafür mußte sie bis zum bitteren Ende unter dem Anblick der Bundesdeutschen leiden.

Diese bekamen die heftigsten Vorwürfe zu hören. „Entschieden Kitsch“, befand Laura Dubini, die sich durch das so stolz zur Schau getragene Gewand der Herren Häßler und Matthäus mit den „auf das Weiß gedruckten Zick-Zack -Bändern“ an „Zigarettenschachteln“ erinnert fühlte. Strickmoden-Designer Ottavio Missoni sprach von „ungeheuer häßlichen Trikots“, während der Hamburger Modeschöpfer Herbert Piedboeuf zwar Verständnis dafür aufbrachte, daß die Markenzeichen der Sponsoren so „überdimensional“ wirkten, ihm aber die „aggressive Zackigkeit“ der schwarz-rot -goldenen Streifen mißfiel.

Das Gesamturteil der Fachleute war von unbarmherziger Strenge: ein „gemüsesuppenartiger Mischmasch“ von „Übergrößen mit bizarren Kragen in strahlenden Farben“, ein „Jubeltaumel von großen und kleinen Linien, Streifen, Bändern, Dreieckchen, Viereckchen, Pfeilen und Rhomben“, das ganze entworfen von „absoluten Dilettanten.“

Damit wird auch endlich klar, warum der empfindsame Maradona nach dem Finale so bittere Tränen vergoß. Er konnte den Anblick der bundesdeutschen Trikots einfach nicht mehr ertragen.

Matti

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