■ Die EG und die USA warten in Bosnien ab: Schamfrist vor dem Kotau
In ihrer totalen Konzeptionslosigkeit und Handlungsunfähigkeit haben sich nach Rußland jetzt auch die USA und die EG-Staaten offiziell auf das äußerst fragwürdige Referendum unter den bosnischen Serben eingelassen. Damit leisteten sie der Schaffung eines serbischen Staates in Bosnien-Herzegowina ein weiteres Stück Vorschub. Wenn – womit zu rechnen ist – das Ergebnis des Referendums so ausfällt wie die letzten drei Abstimmungen des bosnisch-serbischen „Parlaments“, dürften die transatlantischen Auseinandersetzungen um die Frage, wer in der Vergangenheit welche Fehler gemacht hat und wer aus welchen Gründen jetzt von bestimmten militärischen Optionen zurückscheut, erheblich eskalieren.
Richtig ist, daß Westeuropa die Hauptverantwortung für die Fehler trägt, die im Vorfeld des Kriegsbeginns im Juli 1991 wie seitdem gemacht wurden. Zugleich jedoch hatte Clinton bereits im August 1992 als Präsidentschaftskandidat mit seinen Plädoyers für eine Unterstützung der bosnischen Muslime durch eine Aufhebung des Waffenembargos und eine Bombardierung serbischer Ziele einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf den weiteren Konfliktverlauf.
Falsch ist auch der jetzt von Washington gern verbreitete Eindruck, die USA seien handlungsbereit, während die EG-Staaten bremsten. Richtig ist: Auf beiden Seiten des Atlantiks ist das Ende Bosnien- Herzegowinas längst akzeptiert. Nur bedarf es noch einer Schamfrist, bis dieser Kotau vor Gewalt und Aggression auch offen eingeräumt wird. Anders als im Fall Irak–Kuwait hat keiner der westlichen Staaten ein ausreichend starkes Interesse, um zur Rettung Bosniens einzugreifen. Und zumindest die britische Regierung hat durch ihre bisherige Politik den Verdacht bestärkt, ihr sei ein starkes (Groß-)Serbien als künftiger Ordnungsfaktor in Südosteuropa gar nicht so unlieb. Die Erfahrungen, die Großbritannien, Frankreich und andere EG-Länder mit dem damals noch starken Deutschland unter Genscher und Kohl machten, das seine fatale Anerkennungspolitik in der Zwölfergemeinschaft durchsetzte, sind keineswegs vergessen. Die Perzeption – so abstrus sie auch sei –, Bonn habe damals eine überlegte und gezielte Strategie verfolgt, um mit der Zerschlagung des ehemaligen Jugoslawien den politischen, ökonomischen und strategischen Einfluß Deutschlands in Südosteuropa zu verstärken – diese Perzeption ist nicht nur in Belgrad, sondern auch in London und Paris noch in vielen Köpfen. Und sie bestimmt das aktuelle Verhalten sehr viel stärker, als die öffentlich verkündeten Begründungen und Argumente erkennen lassen. Andreas Zumach
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