Die "DeuKische Generation": Mal ohne Migrationshintergrund
Die jungen "Deuken", Deutsche und Türken zugleich, kämpfen mit ihrem Verein für das Selbstbewusstsein einer neuen Generation.
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Aylin Selçuk wuchs in Wilmersdorf auf und machte ihren Schulabschluss auf einem Gymnasium im Grunewald. Für ihre Abiturprüfung musste sie ein Referat halten und wählte das Thema "Migrantenkinder in Problemvierteln". Da verstand sie zum ersten Mal, dass Migrantenkinder manchmal nur Klischees bedienen, weil sie meinen, sie bedienen zu müssen.
Selçuk erzählt von Ali. Er ist aggressiv, sagt sie, weil er in Neukölln lebt. Er interessiert sich nicht fürs Lernen, weil Türken sich nicht fürs Lernen interessieren. "Da habe ich mich gefragt: Würde ich Zahnmedizin studieren, wenn ich nicht so bildungsbewusste Eltern hätte, wenn ich in Neukölln und nicht in Wilmersdorf aufgewachsen wäre?" Genau aus diesen Gründen gründete sie vor zwei Jahren den Verein "Die DeuKische Generation". Die "Deuken", so die Kurzform, verstehen sich als Vermittler zwischen Deutschen und Türken. Sie gehen in die Schule, um mit Kindern und Jugendlichen zu diskutieren. Sie gehen zu den türkischen Familien nach Hause und erklären ihnen auf Türkisch die Möglichkeiten, die ihre Kinder im deutschen Schulsystem haben. Umgekehrt sprechen die Deuken mit Lehrern, um sie für die türkische Kultur zu sensibilisieren.
Nicht alle sind von diesem Ansatz nur begeistert: Güner Balci hat dreizehn Jahre als Sozialarbeiterin in Neukölln für den Verein MaDonna Mädchenkult gearbeitet. Ihre Erfahrungen hat die heute freie Journalistin in ihrem Buch "Arabboy" verarbeitet. Sie findet es falsch, dass Türken Türken helfen. "Das mag in den 80er-Jahren gut gewesen sein, aber jetzt muss auch die deutsche Gesellschaft Verantwortung übernehmen", sagt die geborene Neuköllnerin. Für sie ist die DeuKische Generation ein "türkischer Abiturientenverein", der nichts "Weltbewegendes" sei. "Eine Elite, die die Realität leugnet. Sie kämpfen gegen Vorurteile, die in Wirklichkeit die Lebensrealität vieler Jugendliche mit Migrationshintergrund sind." Kindern aus sozial schwächeren Familien sei mit diesem Verein nicht geholfen, meint sie.
.Aylin Selçuk hält dagegen: "Unser Ziel ist ja gerade, auch die Schwächeren mitzunehmen." In dem Verein, der mittlerweile 60 Mitglieder hat, sind nicht nur Gymnasiasten, Berufstätige, Studenten, sondern auch Hauptschüler. "Das schöne ist der Mix. Wir lernen gegenseitig voneinander." Begeistert sind auch Politiker: "Hinter der DeuKischen Generation steht eine tolle Idee", sagt Cem Özdemir, Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. "Wenn sie Akademiker werden, wächst daraus auch Verantwortung für die Gesellschaft." Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, unterstützt die DeuKische Generation mit Leidenschaft. "Die Deuken vermitteln: Wir gehören dazu und wollen mitgestalten", sagt sie. "Das ist großartig." erklärte sie der Wochenendausgabe der taz, der sonntaz. Was Schüler aus Halle die "Deuken" gefragt und welche Antworten sie bekommen haben? Lesen sie weiter in der sonntaz!
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