■ Die Dänen und Olympia: Bloß nicht auffallen
Die Weltstadt Berlin präsentiert sich: Zwei Olympiagegner, die mehrere Bankenscheiben eingeschlagen hatten, werden fast zwei Wochen in Untersuchungshaft verfrachtet. Polizeibeamte werden durch den Tiergarten geschickt, um Anti-Olympia-Aufkleber von Parkbänken abzukratzen. Fahrradfahrer müssen zusehen, wie ihre Stahlrösser von Uniformierten demoliert werden, nur weil sie sich der Herberge der hohen IOC-Kommission zu sehr genähert hatten. Die ganze Stadt wird zum Hochsicherheitstrakt mit Bannmeilen und Absperrungen, um Berlin die Diepgen-Festspiele zu sichern. Schließlich geht es um die Olympiade 2000, um die Spiele der Jugend der Welt.
Diese Jugend der Welt aber ist längst in der Stadt – und erlebt das Schlimmste. Die bösartige Ironie der Geschichte: Eine dänische Schulklasse, die ausgerechnet mit einem die Völkerfreundschaft preisenden Motto „Deutschland unser Nachbarland – Nachbarschaft heißt Freundschaft“ den ersten Preis eines Wettbewerbs des Goethe-Instituts gewinnt, wird von Skinheads zusammengeschlagen. Diesmal aber wird kein Polizeiapparat in Bewegung gesetzt, keine Fernsehfahndung nach den Tätern betrieben, kein Regierender Bürgermeister spricht den Verletzten sein Bedauern aus und redet vom irreparablen Schaden für die Stadt. Der Vorfall wird kaum zur Kenntnis genommen, in den Medien gerinnt er gerade mal zu einer Kurzmeldung – weil Ereignisse dieser Art schon so alltäglich sind? Nicht einmal die Frage bei der Polizeipressestelle, ob die Täter inzwischen ermittelt worden seien, konnte beantwortet werden – weil die Beamten zu sehr mit dem Abkratzen von Aufklebern und dem Abhängen von Anti-Olympia-Transparenten beschäftigt waren? „Zusammenbleiben und bloß nicht auffallen“, rieten die Dänen anderen Besuchern Berlins. Soll so auch das Motto für die Olympischen Spiele lauten? Plutonia Plarre/Ute Scheub
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