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Die DDR-Landwirtschaft ist anders

■ Die Landwirtschaftskrise resultiert auch aus dem „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“

Frankfurt (ap/taz) - Die akute Krise und der drohende Zusammenbruch der Landwirtschaft in der DDR hat viele Ursachen. Die meisten aber haben ihren Ursprung in der im Vergleich zur Bundesrepublik völlig andersgearteten Entwicklung, Struktur und Bedeutung der Landwirtschaft in der DDR. Nach dem Krieg wurden in der sowjetisch besetzten Zone unter dem Vorzeichen der Bodenreform die zahlreichen großen Güter östlich der Elbe enteignet und das Land unter die privaten Kleinbauern aufgeteilt. Nachdem auf der II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 der „planmäßige Aufbau des Sozialismus“ beschlossen worden war, begann die Kollektivierungsphase, die bis 1960 unter massivem Einsatz staatlichen Drucks abgeschlossen wurde. Ergebnis der Kollektivierung nach sowjetischem Vorbild war die sogenannte Vergesellschaftung der landwirtschaftlichen Produktion durch Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) sowie Volkseigener Güter (VEG). Heute gibt es knapp 3.900 LPG und rund 400 VEG. Seit Anfang der siebziger Jahre werden Tier- und Pflanzenproduktion in beiden Betriebstypen getrennt geführt - mit negativen ökologischen Folgen. Der Bodenreform und Kollektivierung folgten bis zum Zusammenbruch des SED-Regimes im Herbst 1989 Maßnahmen zur Konzentration, Industrialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft. Mit rund 800.000 Menschen waren 1988 elf Prozent aller Beschäftigten in der DDR in der Landwirtschaft tätig. Die von ihnen erwirtschaftete Leistung entsprach einem Anteil von annähernd zehn Prozent des Nationaleinkommens. Demgegenüber arbeiten in der Bundesrepublik nur fünf Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft, der Anteil an der bundesdeutschen Bruttowertschöpfung liegt inzwischen unter zwei Prozent. Die politisch motivierte Orientierung der Agrarpolitik der SED auf einen hohen, der Autarkie nahekommenden Grad der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln hatte zur Folge, daß in der DDR fast viermal so viel Mittel in die Landwirtschaft flossen als in der Bundesrepublik.

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