: „Die Chemie zwischen beiden stimmte nicht“
Brandenburgische Arbeitsministerin Hildebrandt setzt Staatssekretärin vor die Tür/ Von Abberufung aus Zeitung erfahren/ „Falsche Chemie“, Konkurrenzkampf oder Willkür?/ Kurz-Scherf war die einzige Staatssekretärin in der Landesregierung ■ Von Ulrike Helwerth
Berlin (taz) — Das „Weltbild“ hängt bei Ingrid Kurz-Scherf seit Ende vergangener Woche gehörig schief. Daß die „überzeugte Feministin“ ausgerechnet „an einer Frau gescheitert“ ist, wurmt sie besonders. Die Frau heißt Regine Hildebrandt und ist Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen im Land Brandenburg. Letzten Freitag setzte sie ihre Staatssekretärin Ingrid Kurz- Scherf — nach etlichen fruchtlosen Krisengesprächen mit Ministerpräsident Manfred Stolpe — an die Luft. Diese will von ihrer „Abberufung“ offiziell erst durch die Presse erfahren haben. Nachfolger für Ingrid Kurz-Scherf wird der 60jährige Olaf Sund (SPD). Der bisherige Präsident des Landesarbeitsamts in NRW und frühere Westberliner Senator für Arbeit und Soziales soll sich in Brandenburg nun auch der Frauenpolitik annehmen. Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen: Die temperamentvolle Ostpolitikerin Regine Hildebrandt (SPD), bekannt für eine Ärmel-hochkrempeln-und-zupacken-Mentalität, holte vergangenen Herbst mit viel Überzeugungskraft die 42jährige Ingrid Kurz-Scherf (SPD), zuletzt Staatssekretärin im saarländischen Ministerium für Arbeit und Frauen, zu sich nach Potsdam. Hier sollte die bekannte Tarifexpertin ebenfalls als Staatssekretärin den Bereich Arbeit und Frauen aufbauen. Warum die hoffnungsvolle Ost-West-Kooperation nach knapp drei Monaten damit endete, daß die Ministerin ultimativ „entweder die oder ich“ sagte, ist für die Geschaßte „nicht nachvollziehbar“.
Zwar habe es von vorneherein einen „unterschiedlichen Politikstil“ gegeben, aber der sei beiden zunächst als fruchtbar erschienen, so Ingrid Kurz-Scherf. Verabredet worden sei: Die populäre Ministerin vertritt die Politik nach außen, die Staatssekretärin baut im Hintergrund die Strukturen auf. Regine Hildebrandt habe allerdings bald „unzufrieden“ reagiert, weil ihre Staatssekretärin ihr „zu wenig vor Ort rumwuselte“. Ingrid Kurz- Scherf: „Ich mußte Prioritäten setzen.“ Zunächst habe sie das Ministerium und vor allem den Frauenbereich aufbauen wollen, „da konnte ich nicht noch selbst in die Betriebe rasen“. Brandenburg helfe „konzeptionsloses Herumgewurschtel“ nichts. Statt „voluntaristischem Aktivismus“ brauche das Land „strategisches Vorgehen“, so die Ex- Staatssekretärin an die Adresse ihrer Chefin, deren Lieblingssatz ist: „Wir müssen endlich aus dem Knick kommen.“ Aber: „Inhaltliche Debatten über arbeitspolitische Ziele waren mit Frau Hildebrandt unmöglich.“ Die Umgangsformen miteinander seien „schlicht unannehmbar“ gewesen. „Die Ministerin verwechselt Loyalität mit bedingungsloser Gefolgschaft“.
Aus dem Hause Hildebrandt heißt es knapp: „Zwischen den beiden Frauen stimmte die Chemie nicht.“ Stil und Methode seien „zu verschieden gewesen“, so Pressesprecher Schröter. Daß in den Konkurrenzkampf zwischen den zwei dominanten Frauen auch ein Ost-West-Konflikt um Selbstbehauptung und Kompetenzen hineinspielt, läßt sich vermuten. Bekannt ist, daß Regine Hildebrandt sich gern als Chefin behauptet und feministische Positionen, besonders wenn sie von Westlerinnen vertreten werden, nicht übermäßig liebt. Unter Frauenpolitik versteht sie bisher in allererster Linie die Sicherung weiblicher Arbeitsplätze. Aber auch die von vielen Seiten hofierte Ingrid Kurz-Scherf, die für ihre Interessen zu mobilisieren weiß, gilt nicht als eine, die gern zurücksteckt. Die Entlassung von Ingrid Kurz-Scherf — der einzigen weiblichen Amtschefin der Landesregierung übrigens — hat indessen Proteste des Landesvorstandes der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) und auch des Unabhängigen Frauenverbandes (UFV) hervorgerufen. Ministerpräsident Stolpe will sich um ein neues „zumutbares Angebot“ für die gefeuerte Staatssekretärin in seiner Regierung bemühen. Vorletzte Woche noch hatte sein Kabinett mit der Zustimmung aller Fraktionen ein „Arbeitsmarktpolitisches Sofortprogramm“ angenommen, das die Handschrift von Ingrid Kurz-Scherf trägt. Diese würde auch gern in Brandenburg bleiben. Und nicht nur, weil das saarländische Ministerium für Arbeit und Frauen inzwischen aufgelöst und ihre Wohnung in Saarbrücken gekündigt ist. Ingrid Kurz- Scherf: „Ich bin nach Brandenburg gekommen, um dort Arbeitsmarkt- und Frauenpolitik zu machen und ich lasse mich nur ungern auf eine anderes Feld abschieben.“
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