■ Die CDU und die Weltkriegs-Deserteure: Wahlkampf, Kulturkampf
Die CDU will diejenigen, die sich dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Nazi-Deutschlands verweigerten, weiter um Rehabilitierung und Entschädigung bringen. Sie wird einen entsprechenden SPD- Antrag, der im Juni im Bundestag abgestimmt werden soll, nicht unterstützen. Unrecht soll Recht bleiben. Und Deserteure, Wehrdienstverweigerer und „Wehrkraftzersetzer“ des Zweiten Weltkriegs bleiben die „Feiglinge“, als die sie seit fast fünfzig Jahren diffamiert werden. Geht es nach den Christdemokraten, dann dürfen die Opfer der NS-Militärjustiz, die schlimmer wütete als der Volksgerichtshof, keinesfalls in den Rang von Widerständlern gehoben werden. Stichwort: saubere Wehrmacht. Der CDU-„Superwahlkampf“ wird schließlich nach rechts geführt, und die Traditionalisten vom Ring Deutscher Soldatenverbände, darunter auch der mitarbeitende berüchtigte Juraprofessor und NS-Kriegsrichter Erich Schwinge, können bei jedem Urnengang immerhin rund 200.000 Stimmen mobilisieren.
Doch der Wahlkampf ist auch ein Kulturkampf, in dem es um die Interpretation der Geschichte und die Besetzung von Begriffen geht. Gegen den gesellschaftlichen Trend und den Konsens der alten Bundesrepublik basteln die Christdemokraten an ihrem neuen Deutschland: CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble propagiert den Einssatz der Bundeswehr innerhalb Deutschlands und in Ex-Jugoslawien. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Dieter Naumann, will die Kriegsgräberfürsorge zwingen, auf den Grabsteinen der neuen Soldatenfriedhöfe im Ex- Ostblock auch die SS-Dienstränge einmeißeln zu lassen. Bitburg ist überall. Und „Dienen“ und „Tapferkeit“ als traditionelle „soldatische Tugenden“ sind in der Bundeswehr-PR wieder angesagt. Der Zweite Weltkrieg wird zum „tragischen“ Teil deutscher Geschichte, in der die „Vaterlandsliebe der meisten Menschen zu verbrecherischen Zwecken mißbraucht wurde“, wie dies der CDU-Abgeordnete Klaus-Dieter Lehne bei der Debatte um den Deserteurs-Antrag der SPD ausdrückte. Der Einsatz fürs Vaterland dürfe nicht pauschal zu Unrecht erklärt werden.
Zwar gedenken sogar die Soldaten heutzutage schon mal am Volkstrauertag gemeinsam mit Deserteuren der Toten – neuerdings sogar mit dem Segen der Hardthöhe. Und das Bundessozialgericht erklärte schon 1991 die NS-Militärjustiz zum verlängerten Arm des Naziregimes. Doch die CDU ficht das nicht an. Ihr Einsatz für den weltweiten Einsatz ist auch ein Kampf um die Lufthoheit über den Stammtischen. Wer Rudolf Scharping weiterhin den Orden „vaterlandsloser Genosse“ anheften will, der hebt nicht für die Ehre der Deserteure den Arm. Hans-Hermann Kotte
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