■ Die CDU-Aktion „Blühende Landschaften“ stößt auf Desinteresse: Wunder der Natur
Ostdeutschland ist ein erstaunliches Land. Pünktlich zum Herbstanfang beginnen dort die Landschaften zu blühen. Die CDU hat das Naturschauspiel entdeckt und plakatiert für uns Ostdeutsche die Nachricht zwischen Rostock-Lichtenhagen und dem kahlen Erzgebirgskamm. Am Samstag gab's zudem einen Aktionstag „Blühende Landschaften“, den sich die Bonner Wahlkampfzentrale als Nach- und Sehhilfe für die Ossis ausgedacht hat.
Als CSU-Landesgruppenchef Glos am Samstag seine Schwesterpartei aufforderte, „keine Eigentore“ mehr zu schießen, war der Ball schon drin. Das ostdeutsche Interesse an dem Aktionstag war verschwindend gering. Die Bonner CDU-Strategen müssen jetzt nachdenken, woran das lag. Egal wie ihre Erklärung ausfällt: Die „Blühende Landschaften“-Kampagne wird der gerade wieder ins Spiel gekommenen CDU Stimmen kosten. Eine mögliche Erklärung für das Desinteresse könnte sein, daß die Ossis längst wissen, wie schön doch ihre Landschaften blühen. Die andere: Sie sind es leid, verschaukelt zu werden. Dazwischen kommt außer Bundesliga, Weinfest oder Wetter keine andere Erklärung in Betracht.
Sollte Erklärung eins zutreffen, muß Kohl dramatische Stimmeneinbrüche im Westen befürchten. Schließlich wächst dort der Unmut über die hohen Transferleistungen für den Aufbau Ost, wird die Forderung nach „weniger“ laut. Die Kampagne gibt ihr recht. Den Brüdern und Schwestern im Westen muß aber klar sein: Unter Kohl bleibt ihnen kein Pfennig erspart. Auch in diesem Wahlkampf hat der Kanzler – obwohl doch alles grünt – immer wieder betont, daß es mit ihm keine Abstriche geben wird. Wollen die Wessis also weniger zahlen, müssen sie sich einen anderen Kanzler suchen.
Trifft die zweite Erklärung zu, wird die Kanzlerpartei im Osten – dort wo sie gerade mit dieser Kampagne das Spiel zu ihren Gunsten entscheiden will – einbrechen. Sicherlich gibt es einige, die Kohl inzwischen verziehen haben, daß er den Mund Anfang der 90er Jahre zu voll genommen hat. Die Luft wie auch die Straßen sind ja wirklich besser geworden. Daß Kohl eine Woche vor der Wahl nun aber verkaufen will, seine Vision sei Realität geworden, ist selbst den CDU-Landesverbänden des Ostens zu dick aufgetragen. Sie haben das Plakat des Pfarrers Hinze gar nicht oder nur sehr spärlich eingesetzt. Eindrucksvoll hat die Wahlkampfmannschaft des Kanzlers der Einheit wieder einmal unter Beweis gestellt, daß sie vom Osten schlichtweg nichts versteht. Nick Reimer
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