■ Die Bundeswehr als Instrument der Außenpolitik: Kinkels Einbruch
Wer noch Zweifel daran hatte, wie das liberale Profil unter Außenminister Klaus Kinkel aussehen würde, muß seit gestern endgültig zur Kenntnis nehmen: Die Kontinuität in den Abstieg hält an. Die Gelben haben sich unter ihren verschiedenen Vorsitzenden zielstrebig das Image einer Umfallerpartei erworben, Kinkel führt die Tradition fort. „Nur mit dem Gütesiegel des UN-Sicherheitsrates“ war die Parole, die schon Genscher für eine Grundgesetzänderung ausgegeben hatte, wohl wissend, daß die Deutschen gegenüber dem Ausland nicht einfach zur militärischen Normalität übergehen können, auch wenn jetzt scheinbar alle nach deutschen Soldaten schreien. Wider besseres Wissen hat Kinkel jetzt dem Drängen der CDU/CSU nachgegeben und damit zumindest innerhalb der Regierung den Weg frei gemacht, Außenpolitik zukünftig auch wieder mit der militärischen Option betreiben zu können. Die jetzt vorgelegte Formulierung zur Grundgesetzänderung geht sogar noch weiter, als im Streit während des Golfkriegs abzusehen war. Immerhin waren die Kampfeinsätze in Kuwait und im Irak ja vom Sicherheitsrat sanktioniert, wenn auch von einem Einsatz unter Führung der UNO keine Rede mehr sein konnte. Nach der jetzigen Version kann die Bundesregierung sogar ohne Auftrag und Zustimmung des UN-Sicherheitsrats in den Krieg ziehen, wo immer Nato, WEU oder KSZE es für notwendig halten.
Man muß sich die Differenz zur bisherigen Debatte vergegenwärtigen: Nicht Blauhelme, nicht Kampfeinsätze im UNO-Verband und unter UNO-Kommando, sondern Nato-Interventionen, wo immer die Nato-Staaten sie für opportun erachten. Damit ist jede Diskussion um eine neue, veränderte Rolle des Militärs beendet. Stellt sich die Frage, ob die SPD dies schluckt. Bonbon der Koalition ist die Zwei-Drittel- Mehrheit im Bundestag für Kampfeinsätze, die nicht die Zustimmung der UNO haben. Nach den bisherigen Einsätzen der Engholm-Combo steht zu befürchten, daß sie sich mit dem Hinweis, sie könnten ja im konkreten Fall immer noch nein sagen, über den Tisch ziehen lassen werden. Die Papiere über eine neue Weltinnenpolitik können sie dann auch gleich einstampfen lassen. Jürgen Gottschlich
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