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■ Die Bundesregierung darf weiter in Gorleben buddelnRecht auf amtliche Lügen

Die Spielregeln sind inzwischen gut bekannt, wohl auch beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin. Der Streit um das sogenannte Endlager für hochradiokative Abfälle in Gorleben ist nur ein Spiel mit der Zeit. Um die Sache geht es nicht. Umweltministerin Merkel hat ihre Entscheidung längst getroffen, nicht anders übrigens als ihre Amtsvorgänger: Die vom Gesetz vorgeschriebene sichere Deponie für die Abfälle deutscher Atomkraftwerke wird in Gorleben gebaut.

Einen sachlichen Grund dafür gibt es nicht, wohl aber einen politischen: Gorleben ist der einzige Ort, an dem die Bundesregierung eine gewisse Erfüllung ihrer Rechtspflichten nachweisen kann. Solange sie nämlich Löcher in den wendländischen Sand bohren läßt, solange dürfen Atomkraftwerke weiter betrieben werden. Dafür genügt nach dem Atomgesetz der rechtsverbindliche Hinweis auf eben jenes „Endlager“, das in Gorleben „erkundet“ werde, wie die gemeinsame Sprachregelung seit Jahren lautet. Nichts wird jedoch tatsächlich „erkundet“, und schon gar nichts „entsorgt“. Beide Worte sind glatte Lügen. Denn niemand kann im Ernst glauben, die Salzstöcke von Gorleben seien geeignet, Stoffe einzuschließen, von denen im Extremfall noch nach einer Million Jahren eine tödliche Gefahr für die meisten biologischen Arten ausgeht, darunter für den Menschen. Gründe der praktischen Vernunft wie auch geologische Tatsachen sprechen gegen diese Annahme.

Nun hat das Berliner Verwaltungsgericht der Bundesregierung den Nachweis erlassen, daß ihre Bohrlöcher wenigstens sonst die Umwelt von Gorleben nicht unzulässig belasten. Sie darf und muß aber auch unverzüglich weiter im Sand graben, selbst wenn die munter rostenden Eisenarmierungen der Schächte die Behauptung widerlegen, daß Atomabfälle an dieser Stelle nicht mit dem Grundwasser in Berührung kommen werden. In den Bonner Hinterzimmern wird sich niemand über diesen Sieg freuen. Zwei Jahre Erkundungspause wären willkommen gewesen. So aber kommt der Tag des Offenbarungseides früher.

Leider steht auch schon fest, wie die Regierung dann entscheiden wird: Ohne jede Rücksicht und ohne Umweltverträglichkeitsprüfung wird sie das Atomgesetz so lange umschreiben, bis Plutonium und Uran auch noch in tropfnaßen Kiesgruben eingelagert werden dürfen. Niklaus Hablützel

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