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Die Bürgermeisterin und der nationalistische Whiskey Von Ralf Sotscheck

Während die Angsthasen in Nordirland bangen, ob der Friedensprozeß endgültig den Bach hinuntergeht, gibt es wenigstens ein paar Menschen, die sich um die wahren Probleme in der Krisenprovinz kümmern: Welche Whiskeymarke darf im Rathaus hinter die stadträtliche Binde gekippt werden? Bushmills jedenfalls nicht, so hat die Bürgermeisterin des Städtchens Bangor entschieden. Das Getränk aus der ältesten Brennerei der Welt an der nordirischen Küste ist ihr zu nationalistisch.

Merkwürdig. Voriges Jahr ist der edle Tropfen aus genau dem umgekehrten Grund aus dem Rathaus von San Francisco verbannt worden. Bürgermeister Willie Brown entsorgte den Whiskey höchstpersönlich: Er kippte Unmengen Bushmills auf der Hauptstraße demonstrativ in den Gully, weil bei der Brennerei zuwenig katholische Nationalisten beschäftigt waren. Der im kalifornischen Exil lebende Belfaster Schriftsteller John „Sean“ McGuffin hatte jedoch rechtzeitig Wind von der Aktion bekommen, sich umgehend in einen Abwasserkanal gezwängt und war zum bürgermeisterlichen Gully vorgerobbt. Dann harrte er offenen Mundes der Dinge, die da kommen sollten. Es sei der beste Rausch des Jahres gewesen – und noch dazu kostenlos, frohlockte er später.

Inzwischen hat die Bushmills- Brennerei eine Menge Katholiken eingestellt — und sponsert obendrein die Fußballmannschaft der Grafschaft Antrim. Allerdings handelt es sich dabei um gälischen Fußball, jene traditionelle irische Sportart, die mit der englischen Variante nur oberflächliche Gemeinsamkeiten hat. Deshalb hat Ruby Cooling, Bürgermeisterin von Bangor in der Nachbargrafschaft Down, das braune Getränk aus Bushmills nun aus dem Ratskeller verbannt. Künftig müssen die Stadtverordneten unverdächtige Amimaische trinken.

Cooling gehört Pfarrer Ian Paisleys Demokratischer Unionistischer Partei an. Deren Mitglieder sind fast alle Temperenzler, weil Paisleys Kirchenabsplitterung, die Freien Presbyterianer, den meisten Freuden des Lebens abgeneigt sind. Als vor Jahren die nordirischen Kneipen endlich auch am Tag des Herrn öffnen durften, stand Paisley sonntags mit einem Transparent vorm Pub und prophezeite den teuflischen Trinkern Höllenqualen. Und er meinte nicht den Kater am nächsten Morgen.

Ruby Cooling gehört aber nicht Paisleys Kirche, sondern nur seiner Partei an und zwitschert ganz gerne mal einen, so weiß man im Rathaus. Sie habe weder etwas gegen Bushmills, noch gegen den Gälischen Sportverband, sagte Cooling, aber es sei eine Beleidigung, daß Mitglieder der nordirischen Sicherheitskräfte vom Verband ausgeschlossen seien. Das Verbot hat historische Gründe: Bereits im vorigen Jahrhundert hatte der englische Geheimdienst seine Agenten auf den Verband angesetzt.

Der Wahnsinn ist bei den Bürgermeisterinnen von Bangor offenbar amtsbedingt. Coolings Vorgängerin Irene Cree geißelte voriges Jahr die BBC, weil sie den südirischen Schmalzsänger Daniel O'Donnell zu einer Live-Übertragung nach Bangor eingeladen hatte: Ihr Wahlkreis, so Cree, habe selber viele Sänger – da müsse kein Ausländer her. Also, Rolling Stones und Oasis: Vergeßt Bangor. Die haben da ihre eigenen Rockbands. Aber keinen Whiskey.

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