■ Die Berliner SPD nach Mannheim: Kassensturz tut not
Die SPD gibt derzeit viele Rätsel auf. Beispiel Finanzen. Warum die Sozialdemokraten ausgerechnet nach der Wahl die leeren Kassen Berlins entdecken und plötzlich in dieser Frage jenes eigenständige Profil entwickeln, das die Stadt im Wahlkampf vermißt hat, bleibt wohl das Geheimnis der SPD. Doch auch wenn die SPD ihrem Koalitionspartner CDU endlich ein ungeschminktes Bild der finanziellen Lage abringen will, bleibt unklar, wie die SPD daraus Bausteine für eine neue Politik formulieren will.
Auch an anderer Stelle bleibt das Bild diffus. Sozialsenatorin Stahmer mißbilligte das Treffen des neuen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine mit dem PDS-Vormann Gysi, während der ehemalige SPD-Chef und Regierende Bürgermeister Jochen Vogel dafür plädiert, die PDS beim Wort zu nehmen und in die politische Verantwortung zu zwingen. Angesichts einer unübersichtlichen Situation bleiben das dissonante Stimmen. Die SPD-Spitzenkandidatin Stahmer stellt zwar nach dem Parteitag fest, daß sich die Delegierten in Mannheim gegen die Lähmung entschieden haben und dies auch das Selbstbewußtsein der Genossen bei den Verhandlungen in Berlin stärken werde. Unbeantwortet aber läßt sie, was die SPD mit derlei neuer Kraft mehr anfangen möchte, als um die Zahl der Senatorenposten zu ringen. Unübersehbar sind doch die Zeichen, daß sich die SPD-Spitzen zwar noch zieren, aber an der erneuten Ehe mit der CDU kaum zu zweifeln ist. Was die SPD nach ihrer Schlappe in der großen Koalition aber anders machen will, um in vier Jahren besser dazustehen, ist nicht auszumachen.
Der Möglichkeiten sind viele. Das beginnt damit, sich von der CDU nicht in die angebliche Gemeinschaft der Demokraten zwingen zu lassen und PDS-Bürgermeister in den Ostbezirken mitzuwählen, und führt über ein entkrampftes Verhältnis zur PDS bis hin zu einem Gang in die tolerierende Opposition, wie sie der ehemalige Innensenator Erich Pätzold gefordert hat. Ein solcher „Kassensturz“ in eigener Sache stünde nach der Wahl Lafontaines an. Das Signal von Mannheim, wo die Delegierten erkannten, daß ein „Weiter so“ geradewegs in den Abfalleimer der Geschichte führt, scheint aber in Berlin noch nicht angekommen zu sein. Gerd Nowakowski
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