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■ Die Berliner SPD macht sich mit ihrer Urwahl etwas vorPerformance statt Politik

Es ist das Schicksal von langweiligen Parteien, daß sie die wenigen Höhepunkte, die sie sich zu schaffen vermögen, permanent als große Siege feiern. Die Urwahl der Berliner SPD war denn auch – na, was schon – „vor allem ein Sieg für die Partei“ (Scharping).

Natürlich waren die Sozialdemokraten in den zurückliegenden Wochen glücklich. Fast kindisch freuten sie sich über die ungewöhnliche Medienpräsenz. Mit stolzgeschwellter Brust präsentierte die Partei 500 bis 600 Neueintritte; soviel wie sonst in einem ganzen Jahr nicht. Aber ein Sieg für die Berliner SPD? Wo denn? Die Partei hat keine politische Entscheidung getroffen. Mit der Urwahl hat sie Demokratie nicht „wie ein interaktives Spiel im Basis-Park als Erlebnis angeboten“ (Berliner Zeitung), das nun nicht, aber sie hat vor allem eine Performance geboten. Sie hat ihre Spitzenkandidaten inszeniert, „die Ingrid und den Walter“, die nicht müde wurden, ihre Gemeinsamkeiten zu beschwören, und die ihre Unterschiede nie im Inhalt, sondern nur in der Form, im persönlichen Stil suchten. Man hatte den Eindruck, die Partei bedauere geradezu, eine Entscheidung treffen zu müssen. Sie hatte es sich in der öffentlichen Aufmerksamkeit, in der ihre innerparteilichen Schwächen plötzlich ganz klein wurden, gerade so schön gemütlich gemacht.

Es spricht vieles dafür, daß Ingrid Stahmer gegenüber Walter Momper die bessere Spitzenkandidatin ist. Aber was heißt das schon? Mit der Urwahl hat sich die Berliner SPD nicht geändert, sie ist nach wie vor die vielzitierte Schlangengrube. Der Seelenzustand ihrer Funktionäre, Mitglieder und Wähler ist gezeichnet von der gleichzeitigen Sehnsucht nach dem großen Zampano wie dem ehrlichen Alltagsarbeiter. Die Partei, die hinter dem Eisernen Vorhang über vierzig Jahre lang nur „kleine“, kommunale Politik gemacht hat, ist in einem Milieu verwurzelt, das von Arbeitern, Angestellten, Beamten und deren Sicherheitsbedürfnissen geprägt wird. Das Selbstverständnis der Basis ist es, immer wieder gegen die Modernisierungsbestrebungen ihrer Führung rebellieren zu müssen.

Auf dieses Spannungsverhältnis muß auch eine Ingrid Stahmer Rücksicht nehmen. Da wird ihr die eigene leise, zähe Art, die sie mit „Kommunikation und Konfliktlösung“ umschreibt, zweifellos helfen, aber Politik ersetzen kann sie nicht. Die strategische Unklarheit der SPD für die Abgeordnetenhauswahlen beispielsweise, die sich in einem folgenlosen Beschluß der Abgrenzung von der PDS manifestiert und so suggeriert, es gebe eine dritte Möglichkeit jenseits Großer Koalition und eines von der PDS tolerierten rot-grünen Senats, wird durch Kommunikation allein nicht aufzulösen sein. Es bedarf dazu vor allem eines politischen Ziels. „Ich sehe meine Schwerpunkte in der Gesamtentwicklung der Stadt, in dem Zusammenführen von Ost und West“, sagt Ingrid Stahmer. Das wird wohl nicht reichen. Jens König

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