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■ Die Berliner Republik in schwarz-roten Farben?Zukunft in Zement

Waren bisher Große Koalitionen immer als Übergangs- und Notlösung begriffen worden, beginnen sie zum Regelfall in der Bundesrepublik zu werden. Die CDU ist allen Inszenierungen um den Kanzler zum Trotz nicht mehrheitsfähig. Die SPD verliert nach allen Seiten, nach links zu den Grünen, nach rechts zu den Nichtwählern und nach Osten an die PDS. In ihrer ernstesten Krise seit Jahrzehnten regiert sie jedoch in so vielen Bundesländern wie noch nie zuvor.

Während alle Welt über Schwarz-Grün spekuliert, Pizzaessen von Nachwuchspolitikern zu vorgezogenen Koalitionsverhandlungen aufbläst, ist der Marsch in eine schwarz-rote Zukunft der Berliner Republik unverkennbar – Berlin, Baden-Württemberg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern. Es ist eine Zukunft in Zement. Die SPD verliert in Großen Koalitionen mehr als in jeder anderen Form der Regierungsbeteiligung. Da sie dabei aber regelmäßig mehr verliert als die CDU, schafft jede Große Koalition vorerst die Voraussetzung für ihre eigene Fortsetzung.

Hat sich auf Bundesebene durch die Mehrheit der SPD im Bundesrat schon lange so etwas wie eine informelle Große Koalition etabliert, so droht am Ende der Ära Kohl eine Phase von Mitte-Rechts-Koalitionen zu stehen, die sich dem Bewahren und dem Mainstream der Zwei Drittel dieser Gesellschaft verpflichtet sieht. Wer in einer solchen Koalition die Mitte und wer Rechts macht, wird fallweise entschieden: Bei der inneren Sicherheit ist es die CDU, bei D-Mark-Nationalismus die SPD, die auf Rechts machen, während der jeweils andere staatstragend die Mitte abdeckt.

Ob der Marsch in eine schweizerische Unbeweglichkeit des Parteiensystems (20 Jahre Große Koalition) oder nur das Vorspiel für einen Crash dieses Systems ist, bei dem wie in Italien ganze Volksparteien verschwinden, ist noch nicht ausgemacht. Große Koalitionen drohen zu einem Sperriegel für ökologisch- soziale Reformpolitik zu werden. Ökologischer Umbau braucht Mut. Schwarz-Rot jedoch beruht auf Kleinmut und Minimalkonsens. Schwarz-Rot eignet sich aber glänzend für eine weitere Entsolidarisierung der Gesellschaft und verbessert so die strukturellen Voraussetzungen einer konservativen Mehrheit.

Es wird bei den Wahlen im März 1996 in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein darauf ankommen, nicht nur gute Grünen-Ergebnisse zu erzielen. Entscheidend wird sein, was hinten rauskommt: Mehrheit für eine ökologisch-soziale Reformpolitik oder für schwarz-rotes Durchwursteln. Jürgen Trittin

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