Die Bedeutung von Merkels Halskette: Schmucke Politik
Die Kanzlerin ist nicht die erste, die mit ihrem Schmuck geheime politische Botschaften senden will. Was will sie uns sagen? Die Spur führt nach Belgien.
Was Angela Merkel will, sagt sie uns nicht. Stattdessen breitet sie eine Decke aus hohlen Wohlfühlfloskeln über ihren Zuhörern aus. Verständlich, dass die meisten Zuschauer des TV-Duells lieber ihrer Kette zuhörten. Ihr lauschten bis jetzt fast 7000 Follower auf Twitter. In Zeiten, in denen der Austausch zwischen Politikern zum Floskeltennis verkommen ist, ist sie wieder da: Die Schmuckpolitik.
Schon US-Außenministerin Madeleine Albright schickte ihren Gesprächspartnern so geheime Botschaften und ließ ihre Broschen sprechen. Als sie 1994 von der irakischen Presse als Schlange bezeichnet wurde, zischte eine solche in Form einer Brosche von ihrem Revers dem irakischen Vizepremier ins Gesicht. Doch was verbirgt sich hinter Merkels Gehänge? Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke wollte ihr auf Twitter gleich die Deutschlandflagge an den Hals dichten. Doch nein: rot-gelb-schwarz ist die Botschaft von Frau Merkel. Elegant hat sie sich da aus der patriotischen Ecke geschmuggelt.
Dort steht ja schon ihr Innenminister Hans-Peter Friedrich. Auch er lässt den Schmuck sprechen. Kein Anzug an dem nicht seine schwarz-rot-goldene Anstecknadel prangt. Die Botschaft ist klar: Deutschland über alles spricht sein patriotischer Anstecker und vom „Vaterland“ spricht sein Träger Friedrich. Etwa wenn Neonazis gegen ein Asylbewerberheim in Berlin demonstrierten.
Politiker und ihr Schmuck: Unsere Bildergalerie zur #schlandkette.
Das sei nicht gut für das Image des „Vaterlandes“. Nazis findet Friedrich also nicht gut, weil das Ausland sie sieht. Wenn das die einzige Sorge ist, die Friedrich hat wenn es um Gefahr von Rechts geht, dann kann man ihm nur gratulieren: Er hat mit seiner Nationalistennadel zum richtigen Schmuckstück gegriffen.
Wahlversprechen an die Großverdiener?
Merkels Kettenbotschaften sind nicht ganz so plump. Die Botschaft ergibt sich erst mit ein wenig Verrenkung: Rückwärts gelesen führen die rot-gelb-schwarzen Steinchen nämlich direkt nach Belgien. Belgien? Das Land, in das von Steuerfahndern geplagte Milionäre wie Gerard Depardieu flüchten. Vielleicht ein Wahlversprechen an all die Großverdiener in Deutschland, dass sich Merkel ein Beispiel am belgischen Steuersystem nehmen wird?
Sie wäre nicht die erste, die durch ihren Schmuck einer bestimmten Wählergruppe signalisiert: Ich vergess euch nicht. Auch Joschka Fischer tauschte seine Turnschuhe fix aus als er Außenminister wurde und zwar gegen einen Siegelring. Botschaft: Sponti jetzt auch wählbar für den Adel. Das versteht jeder, da braucht es keine Worte. Also bitte, liebe Kanzlerin, verschonen Sie uns doch mit ihren Seifensätzen und lassen Sie einfach die teuren Klunker sprechen. Wenn wir ehrlich sind hatten Sie die, oder besser ihre Träger, ja ohnehin schon immer besonders im Blick.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen