: Die Bananen-Planwirtschaft der EU
■ Eurokraten kaufen den Lateinamerikanern ihren Protest für 100.000 Tonnen Bananen ab / Künftig ist genauestens geregelt, von wo wie viele Bananen zu welchen Strafzollsötzen importiert werden dürfen
Brüssel (AFP/dpa/taz) – Der Bananen-Streit zwischen der Europäischen Union und den lateinamerikanischen Staaten ist beigelegt. Wie die EU-Kommission gestern in Brüssel mitteilte, haben vier der fünf lateinamerikanischen Länder, die gegen die europäische Bananenmarktordnung beim Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) Klage erhoben und von einem Gatt-Schiedsgericht recht bekommen hatten, ihre Beschwerden zurückgezogen. Costa Rica, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela ließen sich ihren Protest abkaufen: für 100.000 Tonnen Bananen, die sie nun jährlich zusätzlich zu ihrem Kontingent von zwei Millionen Tonnen in die EU exportieren können. 1995 dürfen es dann weitere 100.000 Tonnen Dollar-Bananen mehr sein. Zudem sollen die von der EU verhängten Importzölle von 100 Ecu (1 Ecu = 2 DM) auf 75 Ecu je Tonne gesenkt werden. Bei Überschreiten der Quote allerdings verlangen die Euro-Zöllner 850 Ecu je Tonne Bananen.
Die im vergangenen Jahr gegen den Widerstand Deutschlands eingeführte Bananenmarktordnung, die lateinamerikanische Bananen gegenüber den Bananen aus EU- Überseegebieten und ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika und der Karibik benachteiligt, verstoße gegen die Regeln des freien Welthandels, urteilte das Gatt. Dieser Schiedsspruch hat jedoch keine bindende Wirkung, solange er nicht einstimmig vom Gatt-Rat bestätigt wird. Dabei hätte die EU eine Vetomöglichkeit.
Soweit wollten es die Europäer nicht kommen lassen. Sie hatten deshalb versucht, die Klagen der Lateinamerikaner durch Zugeständnisse aus der Welt zu räumen. In diesem Zusammenhang wurde die Aufstockung der Quoten schon Anfang März vorweggenommen, als die EU-Kommission die Importquote für das zweite Quartal 1994 auf 590.120 Tonnen festlegte, rund 60.000 mehr, als erfahrungsgemäß in diesem Zeitraum eingeführt wird.
Als weiteres Zugeständnis räumt die EU den lateinamerikanischen Staaten ein, durch die Vergabe von Exportlizenzen die Handelsströme Richtung Europa weitgehend selbst zu steuern.
Neben der Zurücknahme der Gatt-Klage haben Costa Rica, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela zudem zugesichert, bis Ende 2002 keine neuen Klagen gegen die EU-Bananenpolitik einzureichen. Der Einigung muß der EU-Ministerrat noch formell zustimmen.
Innerhalb der EU hatte Deutschland gegen die Bananenmarktordnung geklagt. Ein Urteil wird für August erwartet.
Bei den deutschen Fruchtimporteuren stieß der Kompromiß gestern auf Empörung. „Die Regelung bringt nur weitere Beschränkungen und neue bürokratische Hürden für die Importeure, aber keine Vorteile“, sagte der Geschäftsführer vom Bundesverband Deutscher Fruchthandelsunternehmen, Ulrich Boysen.
Nach der neuen Regelung wird den Importeuren nun auch vorgeschrieben, in welchen Ländern Lateinamerikas sie Bananen kaufen sollen, kritisierte Boysen. Bislang habe es „nur“ generelle Bezugsquoten für die Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP- Staaten) sowie für Lateinamerika insgesamt gegeben. In Zukunft bräuchten die Händler nicht nur Import-, sondern zusätzlich auch Exportlizenzen für jedes Land Lateinamerikas, da jeder Staat nur ein bestimmtes Kontingent an Bananen ausführen dürfe. „Der Wettbewerb ist damit komplett reglementiert“, meinte Boysen.
Zahlen muß natürlich nicht der Fruchtimporteur, sondern die Verbraucher: über den schon im letzten Jahr deutlich gestiegenen Bananenpreis.
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