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Die Ausnahme, nicht die Regel

■ In Deutschland kaum Erfahrungen mit der Viertagewoche

Die Viertagewoche ist in der Bundesrepublik schon vor zwanzig Jahren diskutiert und in einigen wenigen Unternehmen auch praktiziert worden. Die Idee kam aus den USA. Dort hatte sich in den Jahren 1971/72 innerhalb von zwölf Monaten die Zahl der Beschäftigten, die nur viermal in der Woche zur Arbeit gingen, auf eine Million verzehnfacht.

Bei der damals üblichen Wochenarbeitszeit von vierzig Stunden bedeutete dies vier lange Arbeitstage von zehn Stunden.

Die deutschen Gewerkschaften, die jahrzehntelang für den Achtstundentag gekämpft hatten, lehnten damals die Viertagewoche wegen der extremen gesundheitlichen Belastung ab. Die Befürworter aus dem Arbeitgeberlager wiesen dagegen auf die Vorteile hin: Erhöhung des Arbeitskräfteangebots, angebliche Verringerung der Abwesenheitsquote, Steigerung der Produktivität und verbesserte Kapazitätsausnutzung, somit weniger Betriebskosten und Überstunden.

In kaum einem Dutzend zumeist kleinerer Betriebe wurde zu Beginn der siebziger Jahre in der Bundesrepublik dann tatsächlich die Viertagewoche praktiziert – mit unterschiedlichem Erfolg. Eine bayerische Fabrik für Kühlschrankdichtungen beispielsweise hatte im November 1970 die Viertagewoche für ihre 370 Beschäftigten eingeführt. Der Streß für die Mitarbeiter, darunter zu 70 Prozent Frauen, war bei der langen täglichen Arbeitszeit und den vielfach langen Anfahrtswegen jedoch zu groß. Die Schichten erwiesen sich als wenig familienfreundlich. Nach zweieinhalb Jahren kehrte der bayerische Betrieb wieder zur Fünftagewoche zurück.

Auch als im April 1988 die Arbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie als der Vorreiter- Branche auf 37,5 Stunden pro Woche verkürzt wurde, wurde dies nur in seltenen Fällen in Form der Viertagewoche umgesetzt. Wesentlich häufiger war ein Ausgleich durch freie Tage, eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit oder ein früheres Wochenende.

Ein Sonderfall sind Viertagewochen aus Gründen der Einsparung, wie sie jetzt das VW-Management plant. Hier behalten die Mitarbeiter ihre normale Schichtdauer bei und bleiben einfach nur einen Tag in der Woche länger zu Hause. (dpa/taz)

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