■ Die Ausländerfeindlichkeit am Nil wird bestraft: Bye bye, Germany?
„Egypt, bye bye“, schreibt ein Reiseveranstalter an seinen Kairoer Kontraktpartner und teilt mit, daß die angekündigte Touristenschar es sich anders überlegt habe. Das Attentat auf einen Bus mit deutschen Touristen in Oberägypten hat zu einer Stornierungs- und Umbuchungswelle bei den Reiseveranstaltern geführt, die ihren Kunden Kamelritte um die Pyramiden als erholsame Alternative zum hiesigen Weihnachtsrummel angeboten haben. Orientalisches Ambiente gibt es schließlich auch anderswo. Die Kundschaft will jetzt lieber nach Tunesien oder nach Marokko? Wenige Tage nach dem Attentat vermeldeten ägyptische Hotels und Touristikunternehmen bereits einen Rückgang der Nachfrage um rund vierzig Prozent. Das trifft die chronisch marode ägyptische Wirtschaft an einem sehr empfindlichen Punkt: Denn sie erwirtschaftet rund siebzig Prozent der Devisen über das Geschäft mit den Urlaubern. Entsprechend scharf reagierte denn auch die ägyptische Polizei auf die Ereignisse in Oberägypten. 350 Personen wurden in der Nähe des Tatorts erst einmal verhaftet, obwohl sie nicht einmal Beifall zu dem Attentat geklatscht hatten. Ob man die beiden kurz darauf als Tatverdächtige verhafteten Männer inzwischen halb totgeprügelt hat, um sie zu Geständnissen zu zwingen, ist nicht bekannt. Daß es durchaus denkbar wäre, ist für unsere Reiseveranstalter bekanntlich noch nie ein Motiv gewesen, ihre Programme zu ändern. Zur Verbesserung der „Menschenrechtslage“ in Reiseländern setzen die Unterhaltungskonzerne der reichen Staaten ihr Sanktionspotential nicht ein.
Vietnamesen oder Roma ist es nicht möglich, sich ihre Paradiese anderswo zu suchen, wenn sie in Deutschland angegriffen werden. Ein Großteil derer, die jetzt fürchten müssen, wegen ihres „fremden“ Aussehens in Deutschland aus der Straßenbahn geworfen oder zusammengeschlagen zu werden, suchen hier nicht Unterhaltung, sondern Zuflucht. Sie bringen keine Devisen, sondern sind in der Regel mittellos. Und selbst wenn es für sie eine Alternative zu Deutschland gäbe – ihr Ausbleiben hätte, anders als das der Touristen in Ägypten, keinerlei Sanktionswirkung. Darum dürfen ja auch zumindest die umstehenden, beifallklatschenden Sympathisanten, die ihren Weihnachtsurlaub jetzt lieber doch in Marokko verbringen, ihren Ambitionen gegen die Fremden im eigenen Land freien Lauf lassen. Und unsere Politiker bringen für ihr Verhalten durchaus Verständnis auf. Schließlich muß kein Wirtschaftszweig in der BRD deshalb rote Zahlen schreiben. Wenn es um den Schutz von Fremden geht, kommt es offenbar nur darauf an, wie schmerzlich die jeweilige Wirtschaft ihr Ausbleiben zu spüren bekäme. Aber schön wäre es gewesen, wenn alle ausländischen Unternehmen in Deutschland spätestens nach Rostock gesagt hätten: „Bye bye, Germany.“ Nina Corsten
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