Die Atomkonzerne profitieren: Hoheit auf den Meeren
Der "Bürgerwindpark Butendiek" ist gescheitert. Das sagt viel darüber aus, worum es derzeit in Berlin geht: um die Frage, wer die Stromversorgung kontrolliert.
BERLIN taz | Eine Gruppe von Nordfriesen hatte vor etwa zehn Jahren geplant, einen Windpark zu bauen – auf dem Meer: 34 Kilometer vor Sylt sollten 80 Turbinen Strom für über 200.000 Haushalte liefern. Ein riskantes Projekt, das nach heutigen Stand knapp 1 Milliarde Euro kostet.
Das Besondere: Die BürgerInnen wollten es selbst finanziert und bauen. "Wir wollten zeigen, dass Landwirte und Angestellte richtig Mut haben können", sagt Hans Feddersen, einer der Initiatoren.
Der "Bürgerwindpark Butendiek" ist gescheitert. Das sagt viel darüber aus, worum es derzeit in Berlin geht: die Frage, wer die Stromversorgung kontrolliert, mit Öko Geld verdient, sich die Macht aufteilt, das Land mit Energie zu versorgen. Am Montag fand die letzte Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages statt. Es geht um die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das festlegt, welche Ökoenergie wie gefördert wird.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG): Der Staat verspricht für die Energie aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft, Solarenergie, Wasserkraft oder Biomasse einen Garantiepreis (Cent/kWh) für die Erzeuger. Über eine Umlage bezahlen sie die Stromkunden. 2009 machte dies 5,2 Prozent des Strompreise aus.
Die Preise: Momentan gibt es für Windstrom an Land 9,2 Cent pro kWh; bei Solarenergie je nach Anlagen zwischen 25 und 35, allerdings sinkt die Vergütung jährlich stark. Für Wind offshore gibt es 15 Cent, für Biomasse zwischen 11,6 und 7,7 Cent pro kWh.
Die Offshore-Anlagen: In Europa standen Ende 2010 bereits 1.136 Windturbinen im Meer, die meisten in Dänemark und Großbritannien. In Deutschland sind es gut hundert, die meisten von der Bard Holding GmbH, gefolgt von der EnBW. Die Nord- und Ostsee ist bereits in Claims aufgeteilt, in denen in Deutschland bisher 25 Parks mit mehreren Tausend Anlagen genehmigt sind.
Die EEG-Novelle: Am Donnerstag wird sie nach zweiter und dritter Lesung im Bundestag verabschiedet und am 8. Juli abschließend im Bundesrat beraten. (ia)
Bundesregierung nahm Kürzungspläne zurück
Als die Bundesregierung die Energiewende ausrief, wollte sie vor allem bei Solarenergie und Windkraft an Land kürzen. Verbände und Wirtschaft liefen Sturm, vom Bundesverband Windenergie bis zu RWE. Der Bundesrat hielt vor allem die Kürzungen bei der Windenergie an Land für "nicht geeignet", den Ausbau der Erneuerbaren bis 2020 zu schaffen.
Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden: Nach Berichten will die Bundesregierung die Kürzungen in der Windkraft zurücknehmen. Einzig Solarenergie bleibt nicht verschont: Wer 2012 eine Anlage aufstellt, bekommt womöglich bis zu 24 Prozent weniger Vergütung als im Vorjahr. Bei Windenergie soll die Absenkung gerade noch 1 Prozent betragen. Windkraft auf See soll nicht stärker gefördert werden – das ist kaum nötig, denn schon heute garantiert die Regierung Investoren 15 Cent pro Kilowattstunde, für 12 Jahre. Damit gehört Offshore-Strom bald zu den teuersten aller Erneuerbaren.
"Hier wollen ein paar Großkonzerne mehr Geld"
Hans Feddersen hat eine simple Erklärung, warum hier so viel Geld reingepumpt wird: "Hier wollen ein paar Großkonzerne mehr Geld, die Politik folgt." Als er selbst vor Jahren in Berlin war und erklärte, dass der Bürgerwindpark ohne höhere Vergütung nicht zu bauen sei, habe niemand auf ihn gehört.
Für Unternehmer wie Matthias Willenbacher und viele andere steht der Offshore-Strom für die alten Strukturen: Heute kontrollieren in Deutschland RWE, Eon, Vattenfall und EnBW 80 Prozent der Stromerzeugung. Das ist historisch gewachsen, denn bis 1998 gab es keinen Wettbewerb zwischen Stromkonzernen, das Land war in Gebiete aufgeteilt, in denen der jeweilige Anbieter unter Aufsicht einer zahnlosen Kontrollbehörde die Preise diktierte.
Windkraft an Land ist mittelständisch geprägt
Erst seit 1998 änderte sich das unter Ägide der EU. Bis heute sagt selbst Günther Oettinger, EU-Energiekommissar und Konzernen eher zugeneigt, es mangele an Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt. Die einzige Möglichkeit, diese alte Struktur auf die Zukunft zu übertragen, ist Offshore-Strom.
Regenerative an Land wie Windparks, Solarfelder oder Biogas sind mittelständisch geprägt, niemand ist dort marktbeherrschend. Vielen gelten sie als Chance, die Energieversorgung demokratischer zu gestalten, so dass die Wertschöpfung bei möglichst vielen ankommt. Zwar mischen auch bei der Windkraft an Land die Konzerne mit, doch bescheiden: RWE ist nach eigenen Angaben Nummer drei. Auf dem Meer agieren auch völlig neue Unternehmen: Zwar hat die EnBW im Mai den ersten kommerziellen deutschen Offshore-Windpark in der Ostsee eröffnet. Weitere Projekte werden von der dänischen Dong Energy errichtet, von Bard Offshore, mit einem russischen Investor, auch Trianel ist dabei, ein Zusammenschluss kommunaler Energieversorger. Der einstige "Bügerwindpark Butendiek" wurde von der Bremer Entwicklungsgesellschaft wpd gekauft und soll ab 2012, auch unter Beteiligung von Stadtwerken, gebaut werden.
Offshore ist Neuland
Ohne Banken, meist Großbanken, funktioniert das Geschäft allerdings nicht. Nur sie können die Risiken schultern. In Deutschland sind es etwa die Landesbank Baden-Württemberg oder die Deutsche Bank. Zwar stehen schon seit Jahren Offshore-Parks in Dänemark und England, allerdings in wesentlich flacheren Gewässern als die deutschen Planungen. "Offshore vor der deutschen Küste ist sozusagen Neuland. Die Technologie ist noch nicht komplett ausgereift. Das wird sich ändern, wenn die ersten vier, fünf Projekte stehen", sagt Astrid Hass-Klement, bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für Produktentwicklung Umwelt und erneuerbare Energien zuständig.
In diesem Monat hat die staatseigene KfW ein Kreditprogramm von 5 Milliarden Euro für Offshore-Strom aufgestellt. Schon nach einer Woche gibt es erste Anträge und Anfragen. Eine staatliche Bank macht die Finanzierung sicherer, das Risiko und die Zinsen sinken. Auch das ist ein Grund, warum kleinere Firmen scheitern oder selbst als große Konsortien nur einen Park bauen. Sie gelten als weniger finanzstark und krisenfest als große Unternehmen mit regelmäßigen Gewinnen aus fossiler Energie im Hintergrund. Deshalb sind die Kredite für kleinere Unternehmen mit höheren Zinsen behaftet.
Feddersen bestätigt: Als der Bund eine Bürgschaft für den Bürgerwindpark ablehnte, waren die Zinsen für die Kredite der Banken kaum mehr zu tragen. Heute, sagt Feddersen, sieht er die Windkraft auf See ohnehin anders: zu teurer, zu zeitaufwendig, zu risikoreich und wieder eine Energieform, die den Gewinn nicht bei den Bürgern lässt, sondern in den Konzernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn