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taz FUTURZWEI

Die Angst vor der AfD Hitler kommt nicht zurück

Die AfD kann die stabile Demokratie in Deutschland nicht gefährden. Doch wenn Rechtsradikale gewalttätig werden, muss man sie verbieten.

Ein Gegendemonstrant am Rande einer AfD-Wahlkampfveranstaltung Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

taz FUTURZWEI, 26.09.2023 | Das politische Bild der AfD vom Zustand der Politik in der Bundesrepublik ist schlicht.

Die Staatsparteien da oben haben aus ihrer Sicht schon längst nichts mehr mit den einfachen Leuten zu tun. Deren Zukunftsängste verstehen sie nicht. Sie sollen von der Macht vertrieben werden. Die Klimakrise sei eine Erfindung der Grünen. Ihre ideologisch begründete Transformationspolitik ins nachfossile Industriezeitalter zerstöre willkürlich den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Bundesrepublik soll sich aus der EU herauslösen, sich ihre volle nationale Souveränität zurückholen. Sie soll sich von den USA lösen, ihre nationalen Sicherheitsinteressen priorisieren, die Nato verlassen, die Unterstützung der Ukraine mit Waffen aufgeben und die Sicherheits-Kooperation mit Putins Russland wieder herstellen. Der deutsche Schuldkult wegen der Naziverbrechen soll mit einem Schlussstrich unter diesen „Vogelschiss der deutschen Geschichte“(Alexander Gauland) beendet werden. Der Sieg der Alliierten 1945 soll nicht länger als Befreiung der Deutschen von der Naziherrschaft sondern als „Niederlage unseres Landes und aller Deutschen“ (Alice Weidel) erinnert werden. Die Migration aus dem Süden soll mit dem Einsatz militärischer Blockaden der Flüchtlingsboote im Mittelmeer beendet, das Asylrecht soll abgeschafft werden. Diese rechtsradikalen Positionen finden, befeuert durch die sozialen Medien, vor allem in den Neuen Bundesländern breite Zustimmung. Die AfD überspringt in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen in allen Umfragen 30 Prozent. In den ersten beiden Ländern ist sie im Augenblick mit Abstand stärkste Kraft.

Die Positionen der AfD haben mit der Wirklichkeit des politischen Lebens in der Republik nichts zu tun. Die Parteien jenseits der AfD sind nicht abgehoben. Sie erfüllen ihre Rolle im Verfassungsgefüge, halten die Gesellschaft zusammen, arbeiten, mal mehr oder weniger, an Problemen, halten in ihrer Mehrheit moralische Maßstäbe ein – auch wenn die Ergebnisse ihrer Arbeit, wie in demokratischen Gesellschaften nicht anders möglich, nicht alles auf einmal und oft auch gar nichts voranbringt.

taz FUTURZWEI N°26

Die Welt muss wieder schön werden

Wer Ernst machen will, muss verstehen, warum wir nicht gegen die Klimakrise handeln, obwohl wir alles wissen: Ohne Kulturwandel kein Weltretten.

Wir machen Ernst III, Schwerpunkt: Kultur

Mit Annahita Esmailzadeh, Arno Frank, Esra Küçük, Ricarda Lang, Wolf Lotter, Nils Minkmar, Luisa Neubauer, Robert Pfaller, Eva von Redecker, Claudia Roth, Ramin Seyed-Emami und Harald Welzer.

taz FUTURZWEI N°26 hier bestellen

Die Demokratie in der Bundesrepublik ist stabil

Die bei der AfD besonders verhassten Grünen sind – der Zusammenhang ist evident – der handlungsstärkste Teil der Bundesregierung. Sie haben in nur zwei Jahren rechtsfeste Strukturen geschaffen, mit denen die Herausforderungen der Klimakrise in einen planungssicheren Transformationsprozess übersetzt worden sind. Die Bundesrepublik bildet gemeinsam mit Frankreich das Handlungszentrum auf dem Weg zu einer immer tieferen Integration der EU. Für ein Ende dieser europäisch orientierten Politik gibt es in Deutschland keine Mehrheiten. Die Bundesrepublik ist durch den Ukrainekrieg noch fester in die Nato eingebunden, das von Amerika angeführte Militärbündnis aller demokratischen westlichen Staaten. Für eine erneute Kooperation mit Putins Russland fehlt jede Grundlage.

Die Bundesrepublik ist bei hoher Zustimmung der wichtigste Waffenlieferant für die Selbstverteidigung der Ukraine. Die von der überwiegenden Mehrheit der Deutschen mit den Nazis begangenen oder zumindest gebilligten Verbrechen können aus der Erzählung der deutschen Geschichte niemals getilgt werden. Das Bekenntnis zu dieser Schuld nach innen und außen ist zu Recht Staatsräson der Bundesrepublik. Judenhass und Rassismus finden in der Mehrheitsgesellschaft der Republik keine Unterstützung.

Die von der AfD befeuerte Angst vor „Überfremdung“, den Hass auf alles Fremde und die Panikmache vor einer Überforderung im kommunalen Alltag haben allerdings eine Grundlage im Politikversagen aller Bundesregierungen in diesem Bereich seit Merkels Öffnung der Grenzen im September 2015. Es gibt aber auch große Erfolge bei der Integration von Flüchtlingen. Gleichzeitig sind sich alle politisch Verantwortlichen einig, dass es eine unbegrenzte Migration über das Asylrecht in die EU und der Bundesrepublik nicht geben kann. An einer gemeinsamen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik aller Parteien jenseits der AfD auf dieser Grundlage wird gearbeitet. Doch statt ihre erfolgreiche Arbeit offensiv zu vertreten, statt an ihren politischen Agenden trotz populistischer Anfeindungen unbeirrt festzuhalten und sie umzusetzen, reagieren einige demokratische Parteien im Katastrophenmodus oder mit machtpolitischen Spielereien.

Es macht keinen Sinn, immer wieder die Gefahr der Zerstörung der Demokratie in der Bundesrepublik durch die AfD zu beschwören. Die Demokratie in der Bundesrepublik ist stabil. Sie ist fest eingebunden in die westliche Welt der freiheitlichen Demokratien. Daran kann die AfD mit ihrer Hass- und Angstmach-Politik auch bei noch etwas größerer Zustimmung nichts ändern.

Es gibt hinreichend Gründe für ein Verbot der AfD

Es macht auch keinen Sinn, sich die Lügen der AfD-Populisten zu eigen zu machen, von der Notwendigkeit des Hinhörens auf die Stimmen aus dem Volk zu schwadronieren, vom Mitnehmen der Unverstandenen im Elektorat der AfD zu faseln oder gar die eigenen Positionen denen der AfD ununterscheidbar anzuverwandeln.

Wie in allen westlichen Demokratien gibt es auch in der Bundesrepublik einen rechtsradikalen, demokratiefeindlichen Teil der Bevölkerung, der mit Argumenten nicht zu erreichen ist. Diejenigen, die sich hier verankern, sind und bleiben für die Demokratie verloren. Sie müssen mit dem konsequenten Einsatz aller Instrumente des Gewaltmonopols und des Rechtstaates unter Kontrolle gehalten werden.

Es mag die machtpolitischen Gelüste mancher CDU-Granden befeuern, sich durch verlogene Zugeständnisse an die Klientel der AfD Vorteile verschaffen zu wollen. Aber für eine konservative Alternative zur Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP braucht es keine Nachhilfe der AfD. Dazu braucht es bei CDU, CSU und FDP Verantwortung und programmatische Anstrengungen. Das populistische Konkurrieren mit der AfD hilft nur der AfD.

Die AfD ist eine rechtsradikale Partei. Auch wenn sie keine Chancen auf Regierungsmehrheiten hat, bieten ihr Programm und ihr Auftreten hinreichend Gründe, sie mit einem Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht vom Wahlzettel zu verbannen. Das wird in den Landtagen der Neuen Länder auf der Tagesordnung stehen, wenn alle Parteien jenseits der AfD nur gemeinsam eine Regierung bilden können und müssen.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für das Magazin taz FUTURZWEI.