■ Die Anderen: Zum Terroranschlag in Ägypten "Der Standard", "Il Messaggero" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
„Der Standard“ aus Wien zum Terroranschlag in Ägypten: Die Gründe dafür, daß für jeden toten islamistischen „Märtyrer“ drei neue bereitstehen, sind erstens: die wirtschaftliche und soziale Misere einer verlorenen Jugend, die Geborgenheit und Zusammengehörigkeit bei den Islamisten findet, die ihre politische Propaganda als effiziente Sozialarbeit transportieren – in einem staatlichen Umfeld, das undemokratisch und zutiefst korrupt ist. Zweitens: der Zustand der arabischen Welt, der sich nach Ende des Kolonialismus eher noch verschlechtert hat. Die säkularistischen Republiken haben Diktatoren produziert, der Sozialismus als Gegengewicht zum kapitalistischen Westen ist tot, und der Panarabismus gehört spätestens seit dem irakischen Überfall auf Kuwait in den Bereich der Mythologie. Und drittens, um auf die Gründe für den Konjunkturaufschwung des Islamismus zurückzukommen, hat sich das Argument, das als einziges vielleicht überzeugen hätte können, in Luft aufgelöst: Einen Nahostfrieden, „gerecht und umfassend“, wie es in der arabischen Terminologie heißt, wird es in unmittelbarer Zukunft nicht geben.
„Il Messaggero“ aus Rom zum gleichen Thema: Wie immer in solchen Fällen gibt es die Reaktion, die Ursachen der Explosion der Gewalt in der wirtschaftlichen Lage zu suchen. Im Fall Ägypten scheint eine solche spontane Annahme nicht ungerechtfertigt. Aber die Modernisierung hat darüber hinaus, wenn auch in sehr viel geringerem Ausmaß als in Algerien, einen zunehmenden Bruch in der kollektiven Identität der Menschen hervorgerufen. Und es scheint, als suchten nicht wenige im islamischen Fundamentalismus – in vielen Fällen gewaltlos, aber in einigen Fällen eben auch gewaltsam – einen Wiederaufbau ihres kulturellen Zugehörigkeitsgefühls.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt: Das Regime hat sich bis jetzt in der Illusion gewiegt, mit Hilfe der Sicherheitskräfte allein diese Gruppen in die Schranken weisen zu können. Dies gelingt nirgendwo. Erfahrungen in anderen Ländern – etwa Jordanien, dem Libanon oder Marokko – zeigen, daß es besser ist, die Islamisten im Rahmen des Systems mitreden zu lassen. In Ägypten gelten jedoch sogar die nach Millionen zählenden Muslimbrüder noch immer als illegal. Sie bewegen sich in einer gesellschaftlichen und politischen Grauzone, von der auch die Terroristen profitieren. Man kann jedoch die Augen nicht davor verschließen, daß die „Brüder“ ein Sprachrohr besonders all jener sind, die in Ägypten nie eine Chance hatten. Der weltbekannte Sphinx von Gizeh heißt auf arabisch abu al haul – Vater des Schreckens. Es wäre eine Katastrophe, wenn Touristen in Zukunft nur noch an Bluttaten wie die jüngste denken müßten, wenn sie seiner ansichtig werden.
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