■ Die Anderen: Zur Verschiebung des Starts des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds schreibt "Pravo" / Die "Frankfurter Rundschau" meint zum selben Thema / Ein Abzug der Truppen aus Bosnien wäre verfrüht, kommentiert die "Financial Times"
Zur Verschiebung des Starts des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds schreibt „Pravo“ aus Prag: Die Verschiebung des Termins verheißt (für die tschechischen Opfer des Nationalsozialismus) ganz bestimmt nichts Gutes. Bundesaußenminister Klaus Kinkel appelliert zwar an Prag, die Verschiebung gelassen aufzunehmen, aber kann man seinen Versicherungen Glauben schenken? Schließlich hat er am 3. September in Prag versprochen, daß der Fonds am 1. Januar seine Arbeit aufnimmt. Das gleiche Versprechen wiederholte er auch Ende November im Bundestag vor den Augen von Vertretern der Opfer, um drei Wochen später zu erklären, daß Deutschland sein Wort nicht hält.
Die „Frankfurter Rundschau“ meint zum selben Thema: Peinlicher geht es nicht mehr. Vor aller Augen demonstriert die Bundesregierung, daß ihr kleinkarierte Verbandsinteressen der Sudetendeutschen Landsmannschaft und verwandter Organisationen wichtiger sind als die Einhaltung ihres Versprechens, daß der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds zum Jahreswechsel planmäßig mit der Arbeit beginnt. Dabei schützt sie sogar noch Gründe für die Verzögerung vor, die in Prag postwendend dementiert werden. Sie zieht Tschechien mit hinein, um vom deutschen Durcheinander abzulenken. Sie zerstört das Vertrauen in die Ehrlichkeit ihrer Sonntagsreden. Der einzige Hinderungsgrund für den Start des Fonds ist die CSU, die partout den Chef der organisierten Sudetendeutschen im Aufsichtsgremium haben will, was bis ins tschechische Stiftungsrecht Probleme macht. Es ist wie vor einem Jahr, als wegen der
CSU die Unterzeichnung über die Jahreswende geschoben werden mußte. Das Bonner Gewürge im Verhältnis zu Tschechien nimmt kein Ende. Wieder ist Außenminister Klaus Kinkel der Blamierte, während das Kanzleramt die Strippen zieht. Und wieder müssen sich vor allem die noch lebenden tschechischen Nazi-Opfer verhöhnt fühlen, die sich von dem Fonds eine kleine Unterstützung erhoffen. Nach einem Jahr offizieller Versöhnung ist die Bilanz deprimierend.
Ein Abzug der Truppen aus Bosnien wäre verfrüht, kommentiert die „Financial Times“ aus London: Bosnien ist nicht Zypern, wo UN-Streitkräfte an der grünen Linie zwei Gemeinschaften voneinander trennen. Es ist vielmehr ein Land, das von schrecklicher Gewalt geprägt ist und dessen Bevölkerung durch die Anwesenheit einer von Militär gestützten internationalen Behörde erst allmählich das Vertrauen gewinnt, wieder normale Kontakte aufzubauen. Das militärische Element kann im nächsten Jahr verringert werden und sollte auch so umgestaltet werden, daß es der unbewaffneten internationalen Polizeieinheit mehr direkte Unterstützung gewähren kann. Ihr völliger Abzug wäre aber auf tragische Weise verfrüht.
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