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■ Die Anderen„Corriere della Sera“ und „Independent“ meinen zur Chinareise von Clinton / Zu dem Mord an dem Sänger Lounes Matoub in Algerien schreiben „Le Figaro“ und „Les Echos“

„Corriere della Sera“ aus Mailand meint zur Chinareise von US-Präsident Clinton: Clinton hat sein Wort gehalten. Er hat gesagt, er reise auch nach China, um die Freiheit und die Demokratie zu verfechten, und er hat es getan. Nachdem er am Samstag in der aufwühlenden Live-Debatte im Fernsehen mit Jiang Zemin die Menschenrechte verteidigt hatte, hat er am Sonntag während eines Gottesdienstes in einer der wenigen Kirchen Pekings die Religionsfreiheit gefordert. Es ist nicht klar, ob Präsident Jiang diesen Clinton-Effekt vorhergesehen hatte. Die Reise des amerikanischen Präsidenten hat die Unruhe, die durch den freien Markt entstanden ist, genährt und der Opposition eine Stimme verliehen.

Daß es bei Clintons Chinabesuch um Ökonomie geht, meint der britische „Independent“: Als Nixon nach China reiste, ging es um Geopolitik, denn er sah China als Gegengewicht zur Sowjetunion. Beim jetzigen Besuch geht es mehr um Geoökonomie. Es geht darum, China im Hinblick auf das Wirtschaftswachstum als Alternative zu Japan aufzubauen. Clinton will, daß sich zwei Wirtschaftsmächte annähern, wobei eine klare Verbindung hergestellt wird zwischen liberaler Wirtschaftspolitik und Demokratie. Clintons Besuch war ein Erfolg. Auch wenn noch die Gefahr repressiver Aktionen besteht, ist es doch wahrscheinlicher, daß der Prozeß des Wandels, der schließlich politische Rechte bringen wird, beschleunigt wurde.

Zu dem Mord an dem Sänger Lounes Matoub in Algerien schreibt „Le Figaro“: Die Algerier stehen vor dem Dilemma, das der wahre Grund für ihren Bürgerkrieg ist: Dreißig Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung existiert Algerien nach wie vor nicht. Die Mörder des Sängers haben die Widersprüche des Landes im Kern getroffen. Der Wortführer der Berber war das Symbol der hauptsächlichen Bruchlinie; jener zwischen dem Berbervolk und den Arabern. Die Mörder von der GIA hatten zwei Ziele im Visier. Mit ihrer Attacke gegen die Enklave, die der fundamentalistischen Ansteckung widerstanden hat, haben sie ihre Macht demonstriert. Dadurch, daß sie die Berber auf die Straße brachten, destabilisieren sie den Staat.

Ebenfalls zu dem Mord an Lounes Matoub bemerkt die französische Wirtschaftszeitung „Les Echos“: Diesmal hat sich das Kalkül der Mörder gegen sie gerichtet. Lounes Matoub gibt es nicht mehr, aber tot hat er – wie nie zu seinen Lebzeiten – die nationalistische Reaktion der Bewohner der Kabylei gegen die Fundamentalisten und die Regierung ausgelöst. Die Macht sah sich mit der Wut der Straße konfrontiert. Das ist damit zu erklären, daß das Volk der Kabylei seit zu langer Zeit gering behandelt wird. Ein Punkt, in dem die Fundamentalisten und die Staatsmacht objektiv Komplizen sind: Die einen wollen das Volk islamisieren, die anderen sind entschlossen, ab 5. Juli die vollständige sprachliche Arabisierung durchsetzen.

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