■ Die Anderen: „Observer“, „Sunday Telegraph“, „Il Messaggero“ und „La Repubblica“ zu den Ermittlungen in der Clinton – Lewinsky-Affäre
Zu der Arbeit des Sonderermittlers Starr in der angeblichen Sex-Affäre von US-Präsident Bill Clinton schreibt der britische „Observer“: Dies ist eine rachsüchtige Vendetta-Politik schlimmster Art... Die Prozeßsüchtigkeit in den USA fördert sie ebenso wie Clintons Libido. Aber der Präsident befände sich nicht in dieser Situation, wenn es nicht praktisch eine Verschwörung gäbe. Es geht darum, dem Ansehen des Präsidenten zu schaden und vielleicht einen gewählten amerikanischen Präsidenten aus dem Amt zu jagen. Wenn das gelingen sollte, wäre die demokratische Politik in den USA auf einem neuen Tiefstand angelangt, mit unvorhersehbaren Folgen für die ganze Welt.
Der „Sunday Telegraph“ in Großbritannien schreibt dazu: Der hohe Moralismus Starrs ist ehrfurchtgebietend. Aber er gibt keine Basis ab, von der aus ein Land regiert werden kann... Zudem ist die „Gerechtigkeit“, die Lewinsky und den Präsidenten vor eine große Jury gebracht hat, das Ergebnis des Eindringens der Gesetze in eine Sphäre, für die sie ausdrücklich nicht geeignet sind – die des sexuellen Verhaltens zwischen gleichgesinnten Erwachsenen... Es mag ja eine poetische Gerechtigkeit darin liegen, daß der Mann, der sich so eifrig um die Stimmen weiblicher Wähler bemüht hat, in dem gesetzlichen Klima gefangen wird, das er zu schaffen half. Aber es ist kein erbauliches Spektakel. Im Interesse der USA liegt es sicher nicht.
„Il Messaggero“ in Rom kommentiert die neuen Ermittlungen: Die offizielle Linie des Weißen Hauses ist es, daß Bill Clinton, Fleck oder nicht Fleck, weiterhin bestreitet, jemals eine Beziehung mit Monica Lewinsky gehabt zu haben und vor allem, niemals von ihr verlangt zu haben, darüber zu lügen. Alles hängt also von diesem verdammten Fleck ab. Und dem nunmehr höllischen Tempo der Ermittlungen. Bis Ende nächster Woche könnte Frau Lewinsky als Zeugin gehört werden. Clinton hat daher nicht viel Zeit zur Verfügung. Falls er entscheiden sollte, Asche auf sein Haupt zu streuen, dann müßte er dies vor dem 17. August tun, dem Tag seiner eigenen Aussage, dem Tag, nach dem es keine Umkehr mehr gibt.
„La Repubblica“ in Italien rät dem US-Präsidenten in der Lewinski-Äffare: Die Bügerinnen und Bürger in Amerika scheinen bereit, Bill Clinton zu verzeihen, wenn er im Fernsehen live seine Beziehung zu Monica Lewinsky beichtet. Das sagen die Umfragen, und es scheint, als werde auch im Weißen Haus an einer solchen Möglichkeit gearbeitet...
Schwer wiegt die Meinung dieser 69 Prozent der Amerikaner, die laut Umfragen zwar nicht mehr an die Aufrichtigkeit des Präsidenten glauben, aber die nach einem öffentlichen Eingeständnis geneigt wären, die ganze Angelegenheit zu vergessen. Allerdings bleibt für die Gesten der Wiedergutmachung nicht mehr viel Zeit.
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