■ Die Anderen: Die "Welt" kritisiert Schröders Amtsführung / Die "Bild"-Zeitung nimmt Lafontaine in Schutz / Die "Frankfurter Rundschau" kommentiert den Zwist zwischen Bund und Ländern / Das "Neue Deutschland" erhofft eine neue rot-grüne Tür
Die „Welt“ kritisiert Schröders Amtsführung: Da bemüht sich Schröder gerade um die Entschärfung des Steuerkonflikts mit den SPD-Ministerpräsidenten, und schon gibt es einen neuen Koalitionskrach mit den Grünen. Je Liter Benzin 20 Pfennig mehr – das ist ein Weihnachtsgeschenk der Grünen, wie es sich die Deutschen wünschen. Dabei nähert sich die Amtsführung des Kanzlers bedenklich der Form einer Echternacher Springprozession an. Hier geht er zwei Schritte vor, da springt er einen zurück. Zwischendurch gibt es das sympathische Eingeständnis von Fehlern. Damit muß Schluß sein. Um regieren zu können, benötigt Schröder Strukturen der Machtausübung, Koordinatoren und Gremien.
Die „Bild“-Zeitung nimmt Lafontaine in Schutz: Man muß Oskar Lafontaine nicht lieben. Das kann man getrost Christa Müller überlassen. Wenn der Saarländer, was er in letzter Zeit zu oft tat, sich national vordrängelt und international vorlaut ist, verdient er Kritik, aber keinen Haß. Wenn das britische Massenblatt Sun ihn zum „gefährlichsten Mann Europas“ machen möchte, dann war Nebel an der Themse oder Whisky in der Tinte. Um ihn vollends zum Schurken zu machen, haben sie ihm zwei Zähne aus seinem Lächelfoto retuschiert. Fair? Fun? Der kleine große Vorsitzende ist eine Machtmaschine. Aber ein Euro- Napoleon ist er nicht und auch nicht Kaiser Wilhelm von der Saar.
Die „Frankfurter Rundschau“ kommentiert den Zwist zwischen Bund und Ländern: Beim Geld hört bekanntlich die Gemütlichkeit auf. Was sich im Bund- Länder-Verteilungsstreit über die Lastenübernahme der Einnahmeausfälle aus der Steuerreform und der Neuregelung der 620-Marks-Jobs abspielt, läuft schon auf die höchste Steigerungsform der Parteifreundschaft hinaus: erbitterte Feindschaft. Das war schon in der Regierungszeit Kohl nicht viel anders, als sich die Unionsländer im Kampf ums Geld gegen „ihren“ CSU-Bundesfinanzminister Theo Waigel hinter der Mehrheit der SPD-geführten Länder verstecken konnten. Aus jener Zeit stammt die Gewohnheit, daß der Bund meist den kürzeren zieht.
Das „Neue Deutschland“ erhofft eine neue rot-grüne Türkeipolitik: Deutschland hat sich in mißlicher Lage zunächst eine Atempause verschafft. In dieser dünnen Luft werden merklich Unterschiede im Herangehen der neuen Bundesregierung im Vergleich zur alten sichtbar. Der Verzicht auf Auslieferung Öcalans ist dafür genauso Indiz wie die Ankündigung, man wolle mit Ankara über eine Beendigung des Krieges in Kurdistan sprechen. Das ist neu! Öcalan ist ein Produkt des Kurdistan-Konflikts, nicht sein Vater. Der jahrelangen Schizophrenie Bonns, Waffen für den Krieg gegen die Kurden zu liefern und sich anschließend über kurdische Flüchtlinge zu wundern, könnte jetzt ein Ende gesetzt werden.
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