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Die Altonaer Bevölkerung hat sich gegen einen Radweg auf dem Elbstrand entschieden. Dabei werden die Radler zu Unrecht als Problem gesehenWas, wenn Autofahrer anhalten und schieben müssten?

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

KATRIN SEDDIG

Der Elbstrand ist gerettet! Er war in großer Gefahr, zu verschwinden oder zerstört zu werden, durch die Radfahrer. Deshalb haben Bürger hart gekämpft, und jeden Zentimeter Elbstrandmauer mit in freundlichen AfD-Farben gehaltenen Plakaten beklebt, was dem Strand jetzt ein ganz neues, blau-weiß-rotes Gesicht gegeben hat.

Der Elbstrand wäre fast verloren gewesen. Nun bleibt er uns aber zum Glück erhalten, denn die Altonaer Bürger haben in einem Bürgerentscheid abgestimmt. Wir können weiter, von Radfahrern ungestört, im Sand sitzen, Bier trinken, und den Schiffen dabei zusehen, wie sie ihre giftigen Treibstoffe verbrennen. Wir haben den Straßenverkehr hinter uns, den Schiffsverkehr vor uns, aber die Radfahrer wenigstens müssen wegbleiben.

Die Radfahrer sind immer mehr ein Problem in der Stadt. Sie stören sowohl die Fußgänger als auch die Autofahrer. Sie fahren nun mal entweder auf dem Weg für die Fußgänger oder auf der Straße für die Autos. Nirgendwo aber sollten sie fahren!

Schon gar nicht da, wo Menschen friedlich entspannen. Vielleicht könnte man darüber abstimmen, den Radfahrern in dieser Stadt das Radfahren zu verbieten. Die Kampagne könnte so lauten: „Hamburg retten!“ Wer wollte das nicht? Wir alle wollten doch unsere Stadt retten.

Vorige Woche bin ich selbst die Elbchaussee entlang gefahren, und ich habe feststellen müssen, dass das Fahrradfahren auf der Elbchaussee ohne Gefahr für das eigene Leben nicht möglich ist, deshalb sollte man das lassen. Kein Autofahrer fährt gerne einen Radfahrer tot, aber die Straße ist nun mal zu schmal für Autos und Radfahrer.

Es steht wohl nicht zu erwarten, dass die Straße zulasten des Gehweges oder der angrenzenden Grundstücke erweitert wird. Muss ja auch nicht. Radfahren muss nicht sein. Ich habe mich zwar kurz gefragt: Wie sollen hier auf dieser Straße Kinder spielen? Wo die Hunde bummeln und die Liegestühle stehen? Wie sollen wir uns auf dieser Elbchaussee entspannen? Und was wäre, wenn es hier keine Straße gäbe? Oder wenn es eine Straße gäbe, die aber plötzlich aufhörte? Wenn sie plötzlich in einen kleinen Fußweg mündete? Wenn Autofahrer an dieser Stelle dann anhalten, aussteigen und ihr Auto schieben müssten?

Wie würde das aufgenommen werden? Würden sie sich fröhlich zuwinken? „Keuch, keuch! Das hält uns fit, nicht wahr? Wat mutt, dat mutt. Keuch! Fröhliches Schieben noch!“ Oder wenn der Bus anhalten würde und die Leute ausstiegen: „Gehen Sie doch ein paar Meterchen. Irgendwann können Sie in den nächsten Bus einsteigen, und dann geht es auch wieder schneller. Ist doch nicht so schlimm. Dieses bisschen Zufußgehen hat noch niemandem geschadet.“ Wie wäre das?

Vorigen Freitag hat es in Hamburg einen „Parking Day“ gegeben. Menschen haben sich in Parkplätze gesetzt, haben diese be-setzt, in Liegestühlen, mit Blumen und Bier, entspannt wie an der Elbe, um den Autos den Platz zu nehmen, um aufzuzeigen, wie viel Raum, öffentlichen Raum, Autos einnehmen.

Was wäre also wirklich, wenn eine Straße fehlte, wenn sie nicht gebaut würde, wenn eine Straße einfach im Nichts endete, wie der Radweg an der Elbe? Diese Frage ist überflüssig, weil es immer jede Straße gibt. Straßen werden nicht infrage gestellt, denn Autofahren muss sein. Es gibt fast nichts Wichtigeres in einer Stadt als die Befahrbarkeit mit einem Fahrzeug, es sei denn, das Fahrzeug wäre ein Fahrrad. Der Elbstrand ist gerettet. Nicht vor den Hunden. Nicht vor den Trinkern und auch nicht vor den Pinklern. Aber vor den Radfahrern, vor denen ist er gerettet. Erst mal.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Das Dorf“ ist kürzlich bei Rowohlt Berlin erschienen.

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