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Die Alp-Traumwelt Ceausescus

■ Parteitag der rumänischen Kommunistischen Partei eröffnet / Der „Conducator“ phantasiert über wirtschaftliche Prosperität / Sicherheitskräfte schirmen das Land ab / Keine Delegation aus Ungarn

Bukarest (afp) - Völlig kritiklos gegenüber den katastrophalen Lebensumständen im eigenen Lande und der zunehmenden internationalen Isolierung Rumäniens zog Staats -und Parteichef Ceausescu am Montag in seiner Eröffnungsrede für den 14. Parteitag der rumänischen KP eine positive Bilanz seines politischen Wirkens. Vor den 3.308 Delegierten ging Ceausescu gleich zu Beginn seiner sechsstündigen Rede auf die Umwälzungen in anderen sozialistischen Ländern ein. Die Delegierten unterbrachen die Rede wieder mit Rufen wie „Ceausescu-Heldentum“ und „Rumänien-Kommunismus“. Ceausescu behauptete, daß „die Probleme in anderen sozialistischen Ländern den rumänischen Parteitag zu einem epochalen Ereignis in der Geschichte Rumäniens machen“. Der seit 1965 an der Macht befindliche „Führer“ des rumänischen Volkes erging sich in heftiger Kritik gegen alle, die vom Weg des Sozialismus abweichen und sich dem Kapitalismus annähern. „Wir werden niemanden gestatten, in welcher Form auch immer, den Sozialismus in Rumänien in Frage zu stellen.“

Wirtschaftlich versprach Ceausescu seinen 23 Millionen Mitbürgern künftige Traumergebnisse, die Rumänien, das sich bisher zu den unterentwickelten Ländern zählte, zu einem „mittelentwickelten Land“ machen würden. So kündigte er eine Rekordernte bei Getreide von 60 Millionen Tonnen für das laufende Jahr an, durch die Rumänien - vorausgesetzt, daß die Zahlen der Wirklichkeit entsprächen - zu den höchstentwickelten Agrarländer der Welt zählen würde. Stolz wies Ceausescu neuerlich darauf hin, daß Rumänien seine gesamten Auslandsschulden zurückgezahlt habe und damit gegenüber dem ausländischen Finanz-und Kapitalmonopol nicht mehr „tributpflichtig“ sei.

Der rumänische Parteichef, dessen Wiederwahl durch den Parteitag unbestritten ist - wurde er doch von allen Basisorganisationen des Landes einstimmig vorgeschlagen kündigte auch große Pläne für den Ausbau der Atomenergie an, die bis 1995 die Hälfte des gesamten rumänischen Energiebedarfes decken soll. Das Nationaleinkommen soll im Zeitraum 1991 bis 1995 um 5 bis 8 Prozent steigen.

Zu dem Parteitag kamen 115 Gastdelegationen aus 82 Ländern. Boykottiert wird er von den italienischen, finnischen und österreichischen Kommunisten sowie von der neuen Ungarischen Sozialistischen Partei. Außergewöhnlich strenge Sicherheitskontrollen begleiten den rumänischen Parteitag, die nach Ansicht von Beobachtern die steigende Nervosität der rumänischen Führung in Anbetracht der Reformbewegungen in den sozialistischen Ländern zeigen. Auch Touristen wurde diesmal die Einreise nach Rumänien verwehrt, sogar solchen aus sozialistischen Länder, deren Buchungen schlicht und einfach storniert wurden, wie die DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ kritisch anmerkte. Die Grenze zwischen Ungarn und Rumänien ist nach wie vor teilweise gesperrt. Journalisten, die zur Berichterstattung nach Rumänien einreisen durften, mußten dreistündige Grenzkontrollen über sich ergehen lassen. „Eine Stunde, um meinen österreichischen Paß zu dechiffrieren und zwei Stunden um alle meine schriftlichen Unterlagen und Notizen zu überprüfen“, wie der Korrespondent des ORF sagte.

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