■ Die Aktienkurse boomen international wie nie zuvor: Wie ein Satellit vor dem Absturz
Der Dow Jones über 8.000, der Dax über 4.200 Punkte – die Aktienkurse schwingen von einem Hoch zum nächsten. Doch was des einen Freud, ist des anderen Leid. Denn die Aktien-Hausse ist die Kehrseite der Hausse der Arbeitslosenzahlen.
Wie hängt das zusammen? Bei hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Inflationsrate können die nominellen Zinsen niedrig sein. Dies senkt die Rendite festverzinslicher Werte und läßt die Kurse der Aktien steigen. Außerdem werden die Löhne gedrückt, wenn die „Reservearmee der Arbeitslosen“ die Macht der Gewerkschaften unterminiert. Die Gewinne steigen und mit ihnen die Kurse. Auch das Gerede um den Euro und die Drei-Komma-null tut seine Wirkung. Wird der Euro schlechtgeredet, steigt der Kurs des Dollars. Die Exportchancen für deutsche Waren verbessern sich und mit ihnen die Gewinne der großen AGs. Die Kursrakete wird mit Treibstoff versorgt.
Nun könnte man meinen, daß eine Zinsbaisse und eine Gewinnhausse Investitionen und damit neue Arbeitsplätze begünstigen. Doch die Zinsen sind nur nominal niedrig. Wenn man die Inflationsrate berücksichtigt, bleiben Realzinsen, die beträchtlich über der mäßigen Wachstumsrate liegen. Sie werden also aus der Substanz gezahlt, und dies ruiniert viele, die sich nicht schadlos halten können. Aber auch die Aktienbesitzer werden sich nicht alle und auf Dauer an dem Boom erfreuen können. Denn ein Börsenkrach ist keineswegs Schnee von vorgestern. Der Finanzjongleur George Soros („der Mann, der die Bank of England knackte“) befürchtet, daß sich „die Finanzmärkte zu weit von der Realität entfernt haben“. Viele Mittelständler, die ihre Geldvermögen anlegen, um ihre Rente zu sichern, könnten sich plötzlich von der Aktienbörse zurückziehen. Gründe gibt es genug: sei es, weil die Zinsen anziehen, sei es, weil sie festverzinsliche, sichere Wertpapiere vorziehen, sei es, weil der Euro schreckt und der Dollar ruft. Wenn aber ein großer Markt zusammenbricht, so Soros, entsteht ein „Dominoeffekt, es kommt zum Crash an den Weltbörsen“.
Die Börsen sind nur dann robust, wenn sie wie ein Satellit durch die Schwerkraft der realen Ökonomie in ihrer Bahn gehalten werden. Die Börsen haben aber zu den Sternen abgehoben. Das kann nicht gutgehen. Es käme daher heute darauf an, das Kapital zu bremsen und die Beschäftigung zu fördern. Das täte nicht nur der Arbeitsgesellschaft gut, das hätte sogar positive Effekte für die Börsen. Elmar Altvater
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