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■ Die 23. Stuttgarter Mineralien- und FossilienbörseFossile Würstchen für nur 25 Mark!

Stuttgart (taz) – Wenn's draußen so richtig ungemütlich wird, dann sind Mineralien- und Fossilien- börsen mindestens zweimal einen Besuch wert. Wer meint, auf diesen traditionellen Indoor-Verkaufsausstellungen vorzugsweise introvertierte Briefmarkensammler zu treffen, der irrt sich gewaltig: Pärchen aller Art strömen in Scharen herbei.

Denn was sich im allgemeinen beißt, wird auf den Börsen in seltener Eintracht feilgeboten. Die erdbraunen Überreste der Urzeitviecher, die Er erklären kann, und das bunte Glitzern der Steine, über die Sie sich freuen kann. Während Malachite aus Zaire, kobaltblauer Lapislazuli aus Afghanistan oder Aventurinquarze mit schöner Regelmäßigkeit ausgebuddelt werden, wird der Geldbeutel des Fossil-Freundes in diesem Jahr aber arg strapaziert.

Die chinesischen Dinosaurier- Eier, im Frühjahr erst dem steinzeitlichen Nest entwendet, sind in Deutschland angekommen. Matt glänzend, zwischen seegrün und erdbraun, werden sie pro Stück für 1.200 Mark angeboten. Mit „Sekundenkleber“ wird die dünne Schale vorerst für den Alltagsgebrauch konserviert. Das noch im Löß hängende Trio aus der Urzeit ist entsprechend teurer. Die großen Elefanten aus der Eiszeit, wen wundert's, haben zur Zeit das Nachsehen gegenüber den Steinzeit-Brutkästen. Als „Sonderangebote“ finden sie sich in den Grabschkisten der Ausstellungsbörsen wieder: der faustgroße Mammut-Backenzahn (Briefbeschwerer) ist sogar schon für lumpige zehn Mark zu haben. Die radiergummigroßen Urpferd-Zähne wechseln in diesem Herbst für 60 Mark den Besitzer. Ein Saurier-Ei im Wohnzimmerschrank? Nein.

Mit Blick auf den Geldbeutel werden die Eier vorerst von Börse zu Börse wandern. Noch werden die Eier „pur“ angeboten, also nicht „veredelt“. Dagegen werden die versteinerten Zapfen des Araukarienbaumes (Araukaria mirabilis) heute schon vorbildhaft aufbereitet. Längs aufgeschnitten und poliert, zeigt jeder Zapfen ein anderes Farbmuster. Vielleicht zeigt sich schon im nächsten Jahr, ob die angeblich so einfältigen Riesen (mehr Panzer als Hirn) als polierte Urzeit-Embryonen ihren schlechten Ruf verbessern können.

Sie dagegen findet die Quarze meist „irre schön“ – will aber nach der ersten Schreckensmiene von Ihm nur die kaufen, die ihr „wirklich am besten gefallen“. Sollten sich beide nicht auf die Quarz-Hasenfamilie einigen können, bleibt noch eine andere Kompromißlösung: die Edelsteintherapie. Für Sie die „Laser-Kristall-Arbeit“, für Ihn die „Rückführung“ (in die Urzeit?). Einfach und unkompliziert ist der „Donut“. Um den Hals gehängt, beeinflußt er ab zwei Mark aufwärts Körper und Geist positiv. Mit einigen Ausnahmen gilt auf den diesjährigen Herbstbörsen weiterhin das traditionelle Mineralien-Motto: Je kleiner die Funde, desto günstiger der Preis. Einen Pyrit-Würfel in Daumengröße gibt's ab drei Mark. Ohne Zweifel sind die Saurier-Eier die Hauptattraktionen der Saison. Die „fossilen Würstchen“ führen dagegen seit Jahren ein Schattendasein. Achtlos ziehen die BesucherInnen an ihnen vorüber. Dabei haben die AusstellerInnen immer wieder ihre Werbestrategie umgestellt. Die „fossile Fäkalie“ wurde zu „fossilem Dung“, dann zum „Würstchen“.

Die Bereitschaft, Geld für Scheiße auszugeben, bleibt jedoch auch in diesem Jahr gering. Dabei gibt's die handgroßen Häufchen aus der Urzeit, ohne Beschädigung, schon ab 25 Mark. Eine Investition, die bei Freunden und Bekannten sicher mehr Erstaunen auslösen würde als so mancher Spektrolith aus Finnland. Martin Ratering

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