Diana Kinnert gibt Antworten : Was hat Ihr Denken beeinflusst?
taz FUTURZWEI hatte lange den besten Fragebogen in deutschen Medien, doch dann wurden wir überholt. So nicht! Deshalb hier nun der neue Fragebogen (with a little help from Max Frisch, Fischli/Weiss und NYT Book Review).
Wer hat Ihr Denken beeinflusst?
Der US-amerikanische Soziologe und Stadtforscher Richard Sennett, der deutsche Philosoph Helmuth Plessner, Portugals bedeutsamster Dichter und Schriftsteller Fernando Pessoa, der französische Provokateur Michel Houellebecq – allerdings vornehm in Ausweitung der Kampfzone.
Ihre Lieblingsdenkerin, die sonst niemand kennt?
Die Essayistin Silvia Bovenschen über das Leben, die slowakische Schauspielerin und Politikerin Magdaléna Vášáryová über kollektive Gefühle in Mitteleuropa.
An welchem gefährlichen Gedanken denken Sie rum?
Das Unbequeme den anderen zu überlassen.
Welche Diskussion ist komplett festgefahren?
Die Diskussion um Sinn und Unsinn von Moral und Moralismus in der Politik.
Welche Position langweilt Sie?
Die Position von Klimaschutz gleich Verzicht und wirtschaftlicher Abschwung. Umwelttechnologien, intelligente Produktentwicklung und saubere Produktionszyklen sind die wichtigsten Treiber für Innovation und Dynamisierung im Industrieapparat.
Welche drei Menschen der Zeitgeschichte würden sie zu einem Abendessen einladen wollen?
Den konservativen Publizisten George Will, die in Moskau geborene Sängerin, Pianistin und Songschreiberin Regina Spektor und die Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem Eva Illouz.
Wen finden Sie gut, obwohl Ihre Peergroup ihn oder sie blöd findet?
Kristina Schröder.
Welche drei Bücher würden Sie als Deutschlehrer/-in lesen lassen?
Die Verwirrungen des Zöglings Törleß von Robert Musil, The Handmaid’s Tale von Margaret Atwood und Atlas Shrugged von Ayn Rand.
Welche Künstler/-innen sind auf der Höhe der entscheidenden Fragen?
Die britische Drehbuchautorin und Schauspielerin Phoebe Mary Waller-Bridge, der US-amerikanische Rapper Meek Mill, der englische Drehbuchautor und Produzent Charlie Brooker als Schöpfer der Anthologie-Serie Black Mirror.
Die überschätzteste Figur der Gegenwart überhaupt.
Gwyneth Paltrow als Guru in Sachen Achtsamkeit. Und Christian Lindner.
Warum scheuen Linke den Humor?
Weil Grenzübertritt, Unartigkeit, Spielfreude und Lust Konformismuskiller sind. Und die Obszönität ausgestellter moralischer Erhabenheit entlarven.
Wissen Sie, was Sie hoffen?
Manchmal.
Findet Sie das Glück?
Oft genug.
Wem wären Sie lieber nie begegnet?
Fragilen Männern und ihrer Misogynie und Homophobie.
Wann haben Sie aufgehört zu glauben, dass Sie klüger werden (oder glauben Sie es noch)?
Ich glaube es noch.
Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder nein?
Nein. Ehrfurcht und Demut vor Schöpfung bewahren einen vor ideologischen Gewissheiten und absolutistischem Reaktionismus. Meine Stimme darf nur eine Stimme gelten.
Wenn Sie und alle, die Sie kennen, tot sind – interessiert Sie dann die Weiterexistenz der Menschheit noch?
Ja. Aber in einem freundschaftlicheren Sinne.
Lernen Sie von einer Liebesbeziehung für die nächste?
Ich nehme es mir zumindest jedes Mal vor.
Worum geht es im Leben eigentlich?
Das eigene Geheimnis herauszuleben – ohne Kompensationsdruck aus Daseinsscham. Hermann Hesse schrieb in Demian: »Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir heraus wollte. Warum war das so sehr schwer?«
Gibt es zu viel des Guten?
Nein. Dann wäre es nicht mehr gut.
Wie alt möchten Sie werden?
Großmutter sein finde ich eine sinnvolle Aufgabe. So alt, dass mich Enkelkinder tüchtig und munter erleben dürfen.
Es gibt nur Gangster oder Trottel. Was sind Sie dann?
Schambefreit ist auch befreit. Darum: immer Trottel.
Diana Kinnert, 29, ist Unternehmerin, Politikerin (CDU) und Publizistin. Sie wuchs in Wuppertal auf und lebt in Berlin.