Diakonie kritisiert Mietobergrenze: Ich will so wohnen, wie ich will
Die Diakonie kritisiert die landesweit einheitliche Mietobergrenze für Langzeitarbeitslose. Wer in einem teuren Kiez wohnt, soll auch mehr Geld erhalten.
Evangelische Wohlfahrtseinrichtungen beklagen die in vielen Fällen schlechte Arbeit der Jobcenter und fordern mehr Spielraum für Einzelfallentscheidungen der Behördenmitarbeiter. Sechs Wochen lang fuhr das Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise mit einem Infobus die zwölf Jobcenter in Berlin an - knapp 1.000 Menschen ließen sich vor Ort beraten. "Der Schwerpunkt war alles, was mit Wohnen, Nebenkosten und Umzügen zu tun hat", sagt Frank Steger, Vorsitzender des Arbeitslosenzentrums. Er spricht von "Licht und Schatten" bei den Jobcentern: "Es gibt gute und qualifizierte Sachbearbeiter, aber es gibt auch solche, denen Fehler unterlaufen."
Viele Hartz-IV-Empfänger wohnen laut Steger in Wohnungen, die teurer sind als erlaubt. Das Amt würde oft nicht mehr die vollen Kosten zahlen. Die Hartz-IV-Empfänger müssen dann entweder einen Teil der Wohnung untervermieten, beim Vermieter eine Preissenkung aushandeln oder umziehen - wobei beim Umzug das Jobcenter oft nicht wie vorgeschrieben alle Kosten übernehme.
Viele Hartz-IV-Empfänger bleiben daher in ihrer Wohnung - und müssen dann einen Teil der Mietkosten selbst zahlen. "Wenn die Menschen das dann beim Essen oder der Kleidung sparen müssen, sehen wir das mit größter Sorge", so Steger.
Rainer Krebs vom Arbeitsbereich Existenzsicherung und Integration des örtlichen Diakonischen Werkes fordert daher, vom System der pauschal bezahlten Leistungen wieder Abstand zu nehmen. Derzeit zahlt das Jobcenter einer Familie mit fünf Personen pauschal bis zu 705 Euro für die Warmmiete. Krebs findet das falsch: "Um zu prüfen, welche Mietkosten angemessen sind, ist immer eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung notwendig." So solle das Amt die Grundmiete für die Wohnung in Abhängigkeit von der Wohngegend übernehmen. Wer in ein teures Viertel zieht, soll also entsprechend mehr Geld erhalten. Und wenn es um die Größe der Wohnung geht, müsse man auch "die jeweilige Lebenssituation sehen". Wer zum Beispiel Kinder hat, die beim Expartner leben und die regelmäßig vorbeikommen, braucht eine größere Wohnung.
Das System der pauschalierten Leistungen wurde 2005 von Rot-Grün eingeführt. Bis dahin mussten die Hilfebedürftigen für jede größere Anschaffung wie etwa für eine Waschmaschine einen extra Antrag stellen, der dann vom Sozialamt geprüft wurden. Das fanden viele Betroffene bürokratisch und unwürdig. Jetzt gibt es mehr Geld jeden Monat - und dafür kaum noch die Möglichkeit, im Einzelfall noch einen zusätzlichen Zuschuss vom Amt zu erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter