: Diagnose Prostatakrebs trifft Joe Biden
Beim früheren US-Präsidenten wird Krebs diagnostiziert – mitten in einer Debatte über seinen langen Verfall
Von Bernd Pickert
Der ehemalige US-Präsident Joe Biden ist an Prostatakrebs erkrankt. Der 82-Jährige leide an einer aggressiven und weit fortgeschrittenen, aber behandelbaren Form der Krankheit, berichteten mehrere US-Medien unter Berufung auf eine Mitteilung seines Büros. Demnach hat der Krebs bei dem 82-Jährigen auf die Knochen gestreut.
Die Nachricht löste einerseits Bestürzung und kleine Anzeichen von Anstand selbst bei Bidens Vorgänger und Nachfolger Donald Trump aus, der auf seiner Plattform Genesungswünsche auch im Namen seiner Frau Melania übersendete.
Andererseits aber kam sie genau zwei Tage vor Erscheinen eines Buches der Journalisten Jake Tapper und Alex Thompson: Unter dem Titel „Original Sin“ (Ursünde) geben sie nach Gesprächen mit über 200 Personen aus Bidens Umfeld wieder, wie sehr die körperliche und mentale Gesundheit des Präsidenten in seinem letzten Amtsjahr angeschlagen war – und wie sein allerengster Zirkel darüber alle anderen belog. „Das Weiße Haus log nicht nur der Presse oder der Öffentlichkeit gegenüber, sie belogen auch Mitglieder des eigenen Kabinetts. Sie belogen Abgeordnete der Demokraten und Spender darüber, wie schlimm die Dinge geworden waren“, erklärte Tapper neulich bei CNN, dem Sender, bei dem er als Hauptstadtkorrespondent tätig ist.
Aus dem Buch wird klar: Biden hätte entweder gar nicht erst noch einmal antreten dürfen oder sich zumindest wesentlich früher von der Kandidatur zurückziehen müssen – eine Debatte, die innerhalb der Demokratischen Partei bis heute zu Verwerfungen führt. Warum haben ihm das so wenige Leute rechtzeitig gesagt? Warum ist die Führungsriege der Partei nicht rechtzeitig eingeschritten? Wäre Trump mit der frühen Nominierung einer Alternative zu verhindern gewesen?
Bidens Krebsdiagnose freilich hat mit all dem nichts zu tun – die hätte ihn auch bei ansonsten allerbester Gesundheit ereilen können. Vielleicht bewirkt die Nachricht, dass die Diskussion um Bidens „Verrat an der Demokratischen Partei“, wie es einige Kritiker nennen, nunmehr milder geführt wird.
Bidens eigener Plan allerdings, sich mit diversen Medienauftritten und dem Verfassen eines eigenen Buches gegen die Vorwürfe zu wehren und wieder eine Rolle in der öffentlichen Debatte für sich zu finden, dürfte zumindest vorerst auf Eis liegen. Anfang dieser Woche wollte Biden mit seinem Ärzteteam Behandlungsoptionen besprechen.
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