Deutschlands beliebtester Fernsehkoch: Vom Platzl zum Imperium
Wenn am Samstag das Oktoberfest beginnt, ist er mit dabei: Fernsehkoch Alfons Schuhbeck ist ein bayerischer Erfolgsmensch, ganz nach dem Geschmack der CSU.
Lange Zeit war es ziemlich verrufen, das Platzl im Herzen von München. Als Touristenfalle - schließlich steht hier das Hofbräuhaus, wo sich Besucher aus aller Welt im Alkoholdunst bayerischer Gemütlichkeit hingeben oder dem, was sie dafür halten. Aber auch wegen diverser zweifelhafter Etablissements, die katholischen Moralansprüchen vielleicht nicht immer gerecht wurden.
Seit jedoch der "Fonse" hier das Zepter schwingt, ist das Platzl plötzlich auch in der besseren Gesellschaft ein Thema. Im Jahre 2003 übernahm "Starkoch" Alfons ("Fonse") Schuhbeck, laut Eigenwerbung, "Deutschlands beliebtester Fernsehkoch" und "Erneuerer der bayerischen Küche", die etwas heruntergekommenen Südtiroler Stuben, eine Werbedependance für Wein aus Südtirol, und zog dort mit seiner Küchenmannschaft ein. In Rekordzeit bekam er für sein neues Lokal "Schuhbecks" den Michelinstern, mit dem sich schon sein "Kurhausstüberl" im oberbayerischen Waging schmücken konnte. Vor ein paar Jahren wirtschaftlich in Bedrängnis und bis vor kurzem noch in eine Rechtsstreitigkeit verstrickt, mauserte sich Schuhbeck seither zum Allroundunternehmer, sein Stützpunkt im Herzen Münchens zur Zentrale eines auf stetige Expansion bedachten Küchenimperiums.
Nach und nach eröffnete Schuhbeck am Platzl einen edlen Gewürzladen, eine Eisdiele sowie ein Geschäft für ausgefallene Schokoladenkreationen und übernahm die Restauration im Orlandohaus, einem traditionsreichen, mit opulenten Stuckdecken ausgestatteten Gasthaus vis-à-vis vom Hofbräuhaus. Aus einem akurat renovierten Münchner Altstadthaus am Platzl, wo sich auch Schuhbecks Kochschule befindet, steuert er seine hessische Niederlassung Schuhbecks Check Inn am Flugplatz Egelsbach bei Frankfurt am Main, seinen Partyservice, sein Fress-Varieté "Teatro", seinen Präsentservice, die Vermarktung seiner Kochbücher und nicht zuletzt seine zahllosen TV-Auftritte von "Lanz kocht" im ZDF bis zu den inflationären Schuhbeck-Gastspielen in diversen Sendungen des bayerischen Fernsehens. Auf der Mattscheibe macht der rothaarige Urbayer durchaus eine gute Figur - kein Vergleich zu dem uninspirierten "Man-nehme-Habitus" des TV-Kochkollegen Johann Lafer. Natürlich mischt Schuhbeck auch beim FC-Bayern mit, Deutschlands Promifußballclub Nummer eins, als deren Leibkoch er geführt wird. Schuhbecks Gewürze kann man mittlerweile nicht nur am Münchner Platzl kaufen, sondern auch an der schicken Hamburger Mönckebergstraße sowie bei Edeka-Süd und gar in den Gartencentern der Firma Dehner.
Der weiteren Schuhbeckisierung Münchens, Bayerns, Deutschlands scheinen keine Grenzen gesetzt. Der jüngste Coup des umtriebigen Gourmetkochs: ein Edel-Imbissstand auf der Wiesn, dem Münchner Oktoberfest. Seit diesem Wochenende bietet Schuhbeck im Hippodrom-Zelt, Treffpunkt der Münchner Bussi-Gesellschaft, seine, wie eine Lokalzeitung schrieb, neu kreierten "High-End-Oktoberfest-Burger" an, bestehend aus Hähnchenfleisch, Rosmarin, Petersilie, nebst Schuhbecks Lieblingsgewürzen Ingwer und Chili, flankiert von einer Roggensemmel mit bayerischem Rautenmuster. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der Mann ein eigenes Zelt auf der Wiesn bekommt und damit in den Olymp der bayerischen Gastronomen vorstößt.
Der 59-jährige Gastronom tritt in der Öffentlichkeit stets im unbefleckt weißen Starkochdress mit aufgestickten Namenszug und bayerischem Wappen auf und verfügt über beste Kontakte zur bayerischen Staatsregierung, was im weißblauen Freistaat nie schaden kann. Jüngst stellte CSU-Landwirtschaftsminister Josef Miller in Schuhbecks Kochschule eine neue Werbeoffensive für regionale Produkte aus Bayern vor. Kumpelhaft posierte "Fonse" mit dem Politiker hinterm Induktionsherd und verabreichte den nach frisch zubereiteten "Schmankerln" gierenden Journalisten seine Standardtipps: "Gewürze nie mitkochen. Wenns in der Küche gut riecht, ist nix mehr drin im Topf." Zur Freude des Ministers wettert Schuhbeck gegen die "Olivenölmode", preist bayerisches Rapsöl. "Das tuts auch." Oder Arganöl, sein Geheimtipp. "Das ist 70 Prozent wertiger als Olivenöl." Arganöl gibts nebenan in Schuhbecks Gewürzladen, für 29 Euro die 250-ml-Flasche.
Schuhbeck verkörpert prototypisch den modernen bayerischen Erfolgsmenschen, wie ihn die CSU erschaffen haben könnte: geschäftstüchtig, leutselig, genussfreudig, traditionsverbunden, aber Neuem stets aufgeschlossen. Alles gewürzt mit etwas Schlitzohrigkeit und einer Prise Alpen-Machismo. Von Letzterem zeugt ein "Sex-Gewürz", das er in seinen Gewürzläden vertreibt, bestehend aus "Paprika süß, Curcuma, Zimt, Kümmel, Kardamonsaat (extrem potenzfördernd), Pfeffer, Knoblauch, Chili, Rosenblatt und Vanille". Schuhbecks Lieblingsausdruck ist "Gas geben", was sich in seinen Kochsendungen auf die Hitzezufuhr der Kochplatten bezieht, im übertragenen Sinne aber als Lebensweisheit zu verstehen ist. "Gas geben" als Ausdruck zukunftsfrohen Schaffensdranges, der unbeeinflusst ist von ewigen Bedenkenträgern und Kulturpessimisten. Schuhbeck steht selbst immer auf dem Gaspedal, morgens fliegt er rasch nach Nordafrika, um nach seltenen Gewürzmischungen zu fahnden, abends scheucht er am heimatlichen Herd schon wieder seine Küchenjungs herum, kalauert bei Lanz im Fernsehen oder macht in seinem Teatro-Zelt die Honneurs.
Übrigens hieß Schuhbeck ursprünglich gar nicht Schuhbeck, sondern Alfons Karg. Geboren in Traunstein im Chiemgau, versuchte er sich nach der Schule zunächst an einer Ausbildung zum Fernmeldetechniker, traf dann aber mit dem Wirtshaus- und Campingplatzbesitzer Sebastian Schuhbeck im oberbayerischen Waging am See zusammen. Der wurde sein väterlicher Freund, adoptierte den strebsamen und begabten jungen Mann, überzeugte ihn davon, in die Gastronomie einzusteigen, und schickte ihn auf die Ochsentour: Hotelfachschule, Stationen in Genf, Paris und London ohne jede Sprachkenntnisse, schließlich Abschlusslehre in Eckart Witzigmanns Münchner "Aubergine", wo er zusammen mit Johann Lafer und Hans Haas am Herd stand. Zurück in Waging, erarbeitete er sich in seinem "Kurhausstüberl" einen Michelin-Stern. Sein Lokal mit einer aufgepeppten Regionalküche als Markenzeichen wurde rasch zum Schickimicki-Treffpunkt.
Opfer oder Schwindler?
Dann der Absturz. Schuhbeck vermittelte für einen windigen Gast angeblich lukrative Anlagemöglichkeiten. Als sich der Mann als Anlagebetrüger entpuppte, war es bereits zu spät: Sehr viel war weg und der Koch musste sich nachsagen lassen, an einem großen Schwindel beteiligt gewesen zu sein. Nach jahrelangen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. Seither erklärt Schuhbeck, selbst Opfer des Düsseldorfer Betrügers geworden zu sein. Ansonsten redet er nicht gerne über seine Vergangenheit. Lieber präsentiert er sich als Stehaufmännchen, als Mensch, der einmal gestrauchelt, aber wieder auf die Füße gekommen ist. So eine Story gefällt in Bayern, wo auch ein früherer CSU-Generalsekretär im angetrunkenen Zustand einen tödlichen Verkehrsunfall verursachte und anschließend sogar zum Verkehrsminister avancierte.
Ob Schuhbeck seine Altlasten aus wilderen Jahren noch belasten, wie sicher die Füße sind, auf denen sein neues Imperium steht, weiß keiner. Über jeden Zweifel erhaben sind seine Kochkünste. Die kross herausgebratenen Snacks aus "Allgäuer Bergkäse im knusprigen Bauernbrot mit marinierten Kräutern", das "Böfflamott mit schwäbischen Spätzle" und das finale "Tiramisu vom bayerischen Bier" bei der ministeriellen Pressekonferenz jedenfalls waren zum Niederknien.
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