Deutschlands Kulturelite schlägt zurück: Schöne neue Google-Demokratie
Verdiente deutsche Autoren und Verleger wollen der geistigen Enteignung im Internet nicht weiter tatenlos zusehen und fordern in einem öffentlichen Appell endlich Gegenmaßnahmen.
In die Debatte über die Praktiken von GoogleBooks und über die Propaganda für den vermeintlich kostenlosen Zugang zu Wissen unter der Parole "Open Acess" hat jetzt eine Gruppe von Wissenschaftlern und Publizisten eingegriffen. Ihr Appell "Für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte" (www.textkritik.de/urheberrecht) richtet sich an die Bundesregierung und die Regierungen der Länder, "das bestehende Urheberrecht, die Publikationsfreiheit und Freiheit von Forschung und Lehre zu verteidigen".
Unterlaufen werden diese Freiheiten nach Meinung der Verfasser nicht nur von global agierenden Netz-Plattformen wie GoogleBooks, sondern auch von einer "Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen" (Wissenschaftsrat, Deutsche Forschungsgemeinschaft oder Leibniz-Gesellschaft und Max-Planck-Institute), die im Namen des schnellen, kostenlosen und demokratischen Zugangs zu wissenschaftlichen Informationen grundgesetzwidrig die Rechte von Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern und Verlegern verletzen würden.
"Schnell" ist richtig, "kostenlos" aber eine Verschleierung und "demokratisch" eine Selbsttäuschung. Die Gesetzgeber werden aufgefordert, bestehende Rechte von Produzenten national und international zu schützen und eine langfristigen Sicherung des kulturellen Erbes zu garantieren.
"Open Acces" belaste die finanziell unterdotierten Etats der Bibliotheken und beschneide jetzt schon die Bücher- und Zeitschriftenbeschaffung.
Anders als gerne kolportiert, steht hinter diesem Appell nicht ein Verlegerkomplott und schlichte Lobbypolitik. Vielmehr rufen Kreative verschiedener Sparten dazu auf, die Freiheit von Wissenschaft, Literatur und Kunst als politische Grundrechte zu verteidigen.
Zu den Erstunterzeichnern der Erklärung gehören der Journalist und Zeit-Herausgeber Michael Naumann sowie der Schriftsteller und Verleger Michael Krüger (Carl Hanser Verlag). Namhafte Wissenschaftler (Klaus Reichert, Kurt Flasch, Roland Reuß, Wolfram Groddeck, Klaus Theleweit, Franz Loquai) unterschrieben die Erklärung ebenso wie die Schriftstellerinnen Julia Franck, Ursula Krechel und Alena Wagnerovà oder die Verleger Günther Berg (Verlag Hoffmann und Campe), Manfred Meiner (Felix Meiner Verlag), Vittorio Klostermann (Klostermann Verlag) und KD Wolff (Verlag Stroemfeld/Roter Stern).
Leser*innenkommentare
M.S.
Gast
So, das war es dann wohl. Taz-Abonnement ist gekündigt.
Eine wiss. Autorin für Open Access
Gast
Was von der Allgemeinheit finanziert wird, sollte der Allgemeinheit auch frei zugänglich sein. Da aber immer mehr WissenschaftlerInnen und wiss. Institutionen sich ja mit Begeisterung von privaten Firmen etc. "sponsern" lassen, wird es wohl bald nur noch private Forschung für private Interessen geben (die es sich leisten können).... BILD statt Wissenschaft fürs Volk! Denn dummes Volk = gutes Volk...
Freyer
Gast
In der taz habe ich gründlich recherchierte Berichterstattung erwartet. Die Behauptungen der "Kulturelite" sind wirklich nicht zutreffend, auch wenn sie nun tausend mal im WWW zu finden sind.
Holländer
Gast
Ein längeres und ähnlich verlogenes Artikel stand bereits vor 4 Tagen in der TAZ unter: "Mythos digitale Bibliothek "Open Enteignung" durch GoogleBooks". Nach den 51 vernichtende Kommentaren informierter TAZ-Leser wundere ich mich sehr, dass die TAZ Herr Walther noch mal etwas hierzu schreiben lässt.
Herr Walther streitet hier für die Monopolgewinne (30 bis 40% sind "normal") der Großverlage, die die Etats der Bibliotheken tatsächlich belasten. Open Access belastet die Bibliotheken überhaupt nicht, die Artikel kosten den Leser/Bibliothek nämlich nichts. Es kostet nur die Forschungsförderer Geld, aber die machen das gerne weil Forschungsförderer und natürlich auch die Forscher selbst gerne haben, dass ihre Arbeiten gelesen und benutzt werden.
Und GoogleBooks hat nichts zu tun mit wissenschaftlichen Open Access Artikel: Bücher sind etwas anderes als Artikel.
Matthias Spielkamp
Gast
Wiederholung macht den Quatsch nicht richtiger.
Wen's interessiert:
Open Excess: Der Heidelberger Appell
24.03.2009. Verleger und Autoren wehren sich auf Initiative des Heidelberger Professors Roland Reuß gegen eine "Enteignung" durch Google und Open Access. Ihre Argumentation ist haarsträubend, voller Fehler und gefährlich
Essay
Von Matthias Spielkamp
http://www.perlentaucher.de/artikel/5347.html
Christian Wilhelm
Gast
Lieber Herr Walther,
auch wenn sie es zehn mal wiederholen, die Behauptung OpenAccess = Google wird dadurch nicht wahrer. Außerdem sind die meisten Wissenschaftler durchaus an der freien Verbreitung ihrer Arbeit interessiert, da sie für herkömmliche Veröffentlichungen draufzahlen. Nur für die Verlage ist es halt existenzbedrohend, da sie aufgrund des technischen Fortschritts weitgehend überflüssig werden. Ein schönes Zitat aus dem telepolis-Forum dazu:
"Dieser Aufruf ist ein wenig so, als hätten sich die Mönche der Schreibstuben um 1470 zu einer Erklärung aufgerafft mit dem Ziel, Druckerpressen nur in den Klöstern aufzustellen und den Druck von
mehr als drei Exemplaren pro Werk zu verbieten."
Magrat
Gast
Da frage ich mich doch ernsthaft, was bei der taz so läuft. nach dem letzten verqueren Artikel zu Open access vor ein paar Tagen, der ja auch einhellig als Bockmist kommentiert wurde, kommt jetzt wieder die gleiche falsche Behauptung - open access fräße den Bibliotheksetat auf. Gerde im wiischenschaftl. Bereich beduetet oa große Hoffnung. Wenn Wissenschaftlern an öffentlichen Universitäten Forschungsergebnisse ohne Honorar in großen kommerziellen Verlagen veröffentlichen, diese Beiträge redigiert werden von Leuten die ebenfalls ehrenamtl. arbeiten und diese Zeitschriften für sehr teures Geld dann an die Bibliotheken verkauft werden, ist das natürlich eine Lizenz zum Gelddrucken und niemand bei Elsevier und Co will sich von Open Access in die Suppe spucken lassen. Niemand will verbieten das Forschungsergebnisse in kommerziellen Zeitschriften veröffentlicht werden, nur muss es auch immer eine freie öffentlich zugänglich Ausgsabe geben und kostenlos ist das gewiss nicht, weil die Gemeinschaft bereits mit der Finanzierung von Forschungseinrichtungen und Universitäten dafür bezahlt hat.
Banjo Hansen
Gast
Open Access mit zwei "s"!
Zu den Urheberrechten fällt mir nur ein: Best things in life are for free.
Für diesen Text beanspruche ich kein Urheberrecht.
Bruno Hirsch
Gast
Wer sich auf sein Buch setzt, damit ja keiner reinkuckt, ohne vorher zu bezahlen, hat seinen Beruf verfehlt. Gilt für Autoren, Künstler, "Rechteverwerter" aller Art. Kunst bedeutet Kommunikation und nicht "Rechtehandel". Klar müssen Künstler irgendwie leben, am besten von ihrer künstlerischen Leistung. Leider ist das unrealistisch, nur eine kleine Minderheit kann das. Die Kafkas und Benns der Literaturgeschichte haben von ihrem bürgerlichen Beruf gelebt.
Ich finde es toll, daß Google mir ermöglicht, schnell und einfach zu recherchieren - in Sekundenschnelle Zitate zu finden, Quellen nachzuweisen - ohne daß ich wochenlang in der Bibliothek suchen muß oder, wie es die Verlage am liebsten hätten, das Buch kaufe, um eine Stelle nachzuschlagen. Wer den gewaltigen Kulturfortschritt der Digitalisierung mit Volltextsuche rückgängig machen, blockieren oder mit lauter kleinen Registrierkassen besetzen will, hat schon verloren. Die einzige Lösung: Kulturflatrate.
tut nix zur sache
Gast
Das Urherberrecht in seiner aktuellen Form liegt im sterben. Das muss man zwar nicht mögen, ändern kann man es aber meines Erachtens nicht mehr. Die junge Generation empfindet es nur noch als Beschränkung beim schnellen Informationszugriff, daher wird eine Kulturflatrate oder ähnliche Konzepte die einzige Möglichkeit für die Inhalteschaffenden sein, noch zu Ihrer verdienten Entlohnung zu kommen. Die Mittelsmänner, wie z.B. Verlage, haben dabei wohl das Nachsehen, denn sie könnten in gewissen Bereichen überflüssig werden.
Daniel
Gast
Sorry, lässt die TAZ sich jetzt hier vor den Karren der Verleger und Besitzstandswahrer spannen? Wie wäre es, ein bisschen Hintergrundrecherche zu betreiben und mehr auf die Autoren und Kreativen zu hören? In meinem Umfeld sind die eher positiv gestimmt und sehen in GBooks eine Chance, dass ihre Texte einem weiteren Umfeld bekannt werden. Wer sich wirklich für den Text interessiert, kauft das Buch schlussendlich auch in seiner Gänze.
Bin von der TAZ eigentlich Besseres gewohnt - bitte auch Recherchieren und nicht nur Pressemitteilungen abpinnen!!!
Benny Siegert
Gast
Inwiefern soll denn bitte schön Open Access -- also die freie Zugänglichkeit von öffentlich finanzierter Forschung -- die Etats der Bibliotheken belasten? Wenn etwas die Arbeit der Bibliotheken (und Wissenschaftler!) erschwert, dann doch wohl die Profitgier der wissenschaftlichen Verleger, die Zeitschriften zu völlig überhöhten Preisen nur noch in Großpaketen verkaufen, oder z.B. für einen einzelnen Artikel 210$ fordern. Diese wissenschaftsfeindlichen Attitüden haben ja erst zur Forderung nach Open Access geführt.
Sunny
Gast
Der Text fällt zunächst durch die Verwendung von ß an den unmöglichsten Stellen auf. Als nächstes bemerkt man, dass der Text eigentlich nur verschleiert statt echte Anliegen zu formulieren. Einzig der obligatorische Vorwurf an Google ist konkret.
Die Phrasen "Autoren könnten selber entscheiden" oder "noch nie gab es so viele Veröffentlichungen" sind doch nur Augenwischerei. Gerade im wissenschaftlichen Umfeld sieht es doch so aus, dass die meisten Autoren eh schon Unterstützung der ein oder anderen öffentlichen Töpfe erhalten, eine gewisse Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit sollte da obligat sein.
Hier - scheint mir - hat es die Allgemeinheit wieder mit einem Elitenproblem zu tun. Die geistige Elite lässt sich größtenteils auf Kosten der Allgemeinheit ausbilden, dann wird die Arbeit durch öffentliche Mittel gefördert und dann soll die Öffentlichkeit nochmal bezahlen, um einen Blick auf die Früchte der Arbeit erhaschen zu dürfen.
Ich wünschte mir, die Zusammensteller solcher Artikel würden es sich zur guten journalistischen Angewohnheit machen, auch gleich eine Gegenstimme zu Wort kommen zu lassen. Aber vermutlich ist das zu viel verlangt, es könnte ja Arbeit sein, den Agenturtext selber zu erweitern. Und dann würde eh Google kommen und das geistige Eigentum stehlen - menne.
John Wayne
Gast
"Googles Interesse an der Buch-Digitalisierung liegt sicherlich nicht primär in der allgemeinen Zugänglichmachung von Wissen, sondern in der Steigerung von Profit." Wie böse! Gilt das aber nicht genaus so auch für die "verdienten Verlage und Autoren" (so eine Formulierung gehört maximal auf die Wahrheitsseite., btw...), und ist das nicht auch legitim, weil nämlich im Kapitalsimus derjenige untergeht, der keinen Profit macht?
Doch, es ist reine Lobbypolitik, die den Staat anruft, die eigenen Pfründe zu schützen, weil das eigene Geschäftsmodell weniger erfolgreich ist. Und dass Verlegerinteressen wg. ihres Ausbeutungsverhältnisses nun einmal auch Autoreninteressen sind, leuchtet ebenso ein wie das selbstverständliche Ritual, dass solche Apelle im Namen von Freiheit, Wahrheit, Abenteuer ergehen müssen.
Martin
Gast
Tolle flammende Rede aber was ist eigentlich passiert??