Deutschlands China-Bild: Chinesen muss niemand fürchten
Der Westen fürchtet sich vor Chinas rasantem Aufstieg zu einer globalen Supermacht. Die Angst ist unbegründet. Die Chinesen haben genug eigene Sorgen.
Wie blicken die deutschen Medien, die taz eingeschlossen, auf China? Die Schlussfolgerungen, die die Professoren Kai Hafez von der Universität Erfurt und Thomas Heberer von der Universität Duisburg-Essen auf der von der Heinrich-Böll-Stiftung veranstalteten Diskussion „ Das China-Bild der Deutschen Medien“ zogen, glichen einer Tragödie. Ihrem Eindruck nach legen die 9.000 Artikel, die 2008 in den deutschen Medien zu China verfasst wurden, einen viel zu großes Gewicht auf die Konflikte und Kontroversen Chinas. Sie vermitteln dem Leser ein abwertendes und einseitiges Bild, sagen die beiden Wissenschaftler. 99 Prozent der Chinesen in Deutschland meinen, dass die Berichte über China sehr negativ sind. So vertieft sich ganz offensichtlich die Entfremdung zwischen der deutschen und der chinesischen Öffentlichkeit.
Heberer mahnte, dass die Chinesen die zahlreichen negativen Nachrichten über China als beleidigend empfänden. Als Kanzlerin Merkel 2007 den Dalai Lama empfing, verschärften die Berichte der chinesischen und deutschen Medien noch die Irritationen zwischen beiden Staaten. Ich persönlich denke, dass die chinesischen Medien ein bisschen weniger negativ über Deutschland berichtet haben. Außerdem handelte es meist nicht um ganz so böse Hasstiraden.
Ich freue mich sehr zu hören, wie Thomas Heberer dem anwesenden Publikum die Unfairness der deutschen Medien deutlich macht: Beispielsweise tadeln deutsche Kritiker und Journalisten die Kooperation Chinas mit afrikanischen Autokratien und seine wirtschaftlichen Interessen. Aber sind solche Interessen nicht auch Teil der Außenpolitik von Ländern wie den Vereinigten Staaten, Großbritannien und auch Deutschland?
Glücklicherweise gab es in den deutschen Medien genauso viele negative Berichte über dem ehemaligen US-Präsidenten George Bush und dem Iran. Antipathien richten sich also nicht nur gegen die chinesische Regierung. Außerdem dürfte die Einschränkung der ausländischen Berichterstattung durch die chinesische Regierung und sprachliche Verständigungsschwierigkeiten zu zusätzlichen Missverständnissen geführt haben.
Ich habe den Eindruck, dass Deutschland sich vor allem vor der rasanten Wirtschaftsentwicklung fürchtet - und davor, dass China momentan zu einer globalen Supermacht aufsteigt. Aber niemand weiß wirklich, wie die Zukunft Chinas aussehen wird. Mich eingeschlossen.
Die chinesische Führung hat in der Vergangenheit oft genug entgegen gültigen Normen gehandelt. Hinzu kommt, dass auch in Deutschland die fremden asiatischen Gesichter immer häufiger auftauchen. Einige Deutsche müssen fürchten, dass sie durch den Verkauf von Fabriken nach China ihre Arbeit verlieren werden.
Aber als ein Chinese, der sowohl in Dörfern und Kleinstädten Westchinas als auch in Peking gelebt hat, kann ich nicht oft genug darauf hinweisen: China ist ein riesiges Land mit großen Diskrepanzen. Es gibt nicht nur große Metropolen wie Peking, Schanghai und Hongkong, sondern auch Hundertmillionen von Armen auf dem Land, deren Einkommen unter einem Euro pro Tag liegt. Zugleich hat China immer stärker mit der enormen Umweltverschmutzung zu kämpfen.
Die meisten Chinesen und auch die Zentralregierung wissen: Es ist wichtiger die bestehenden Landesteile zusammenzuhalten und zu entwickeln. Kaum einer hegt wirkliche Expansionsbestrebungen. Auch die vielen Chinesen, die auswandern, vertrauen nichts anderem als ihrem Fleiß. Anders als die europäischen Kolonialisten des 19. und 20. Jahrhunderts, werden sie von ihrem Mutterstaat nicht unterstützt. Im Gegenteil: Während Ausländer häufig bevorzugt behandelt werden, sind die chinesischen Botschaften sehr unfreundlich zu ihren Landsleuten – als Reisejournalist kann ich davon ein Lied zu singen.
Aus dem Chinesischen von Jost Wübbeke.
ZHOU WENHAN, geb. 1978, ist freier Autor und lebt in Peking. Er schreibt vor allem für Chinas bekannteste Wochenzeitung The Economic Observer und Phönix Weekly. Bis 2008 war er als Kulturjournalist bei der Neuen Pekinger Zeitung tätig.
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