: Deutschland setzt auf strenge Zinspolitik
Bundesbank-Vizechef Jürgen Stark soll in das Direktorium der Europäischen Zentralbank einziehen
BERLIN taz ■ Die Chancen für einen geldpolitischen Wandel bei der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen schlecht: Der Vizechef der deutschen Bundesbank, Jürgen Stark, dürfte im Juni die Nachfolge von Ottmar Issing im EZB-Direktorium antreten. Das sechsköpfige Gremium führt die Geschäfte der Bank. Vertreten sind dort die großen Euroländer Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien sowie wechselnd zwei kleinere Länder.
Der ehemalige Staatssekretär im Finanzministerium wurde von der CDU für den EZB-Posten vorgeschlagen. Stark gilt als „Monetarist“ – glaubt also, dass die Zentralbank nur mit einer rigiden Inflationsbekämpfung zu Wachstum und Beschäftigung beitragen kann. Er plädiert daher für einen harten Zinskurs, der keine Rücksicht auf Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum nimmt. „Es gibt keinen Platz für keynesianische Romantik“, lautet das Motto des 57-jährigen künftigen EZB-Direktors.
Kritiker fordern von der EZB jedoch seit langem, das Wirtschaftswachstum mit niedrigen Zinsen zu unterstützen. Dies ist jedoch von Stark kaum zu erwarten, der vom Chefvolkswirt der Barclay Capital jüngst als „Über-Falke“ beschrieben wurde.
Erwartungsgemäß trat Stark in dieser Woche bei seiner Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des europäischen Parlaments auf: Er widersetzte sich der Forderung der Sozialisten, die EZB müsse gleichberechtigt die Ziele Wachstum, Beschäftigung und Preisstabilität verfolgen. „Preisstabilität ist der beste Beitrag für Wachstum und Beschäftigung im Euroraum“, sagte Stark.
Der promovierte Volkswirt gilt auch als einer der Köpfe hinter dem Stabilitäts- und Wachstumspakt, der den Ländern der Eurozone seit 1998 feste Grenzen für die jährliche Neuverschuldung vorschreibt. Sie darf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen. Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sieht darin noch heute eine „der größten wirtschaftspolitischen Hypotheken der Neunzigerjahre“, weil es den finanzpolitischen Handlungsspielraum der Staaten stranguliere.
Es gilt als sicher, dass Stark im Mai durch die Staats- und Regierungschefs der EU endgültig für acht Jahre als EZB-Direktor berufen wird. Allerdings dürfte er nicht mehr ganz so einflussreich sein wie sein Vorgänger Issing. Denn die Position des Chefvolkswirts wird es nicht mehr geben. Diese Aufgabe sollen sich Stark und der griechische EZB-Direktor Lucas Papademos teilen.
TARIK AHMIA