piwik no script img

Deutscher überrascht bei US OpenPositive Schwingungen

Matthias Bachinger, Nummer 235 der Welt, erlebt eine irre Zeit im Big Apple und steht plötzlich in der zweiten Runde. Jetzt darf er gegen Andy Murray spielen.

„Die ganze Woche lang hat alles geklappt“, sagte Matthias Bachinger nach seinem Sieg gegen Radek Stepanek bei den US Open. Bild: dpa

NEW YORK taz | Manchmal plant man jeden Schritt, wenn’s beim ersten trotzdem nicht funktioniert, legt man beim zweiten einen Zahn zu, beim dritten flattern die Lungenflügel, und am Ende rennt man voller Aktionismus vor die Wand. Dann wieder gibt es Phasen, in denen ein Ding zum anderen passt, man mit geschlossenen Augen mühelos einen Safe öffnen kann, ohne zu wissen, warum das alles passiert; klarer Fall von Kismet.

So ähnlich geht es Matthias Bachinger aus Ampermoching bei Dachau seit gut einer Woche. Ursprünglich hatte er vor, in der Qualifikation der US Open um einen Platz im Hauptfeld zu spielen. Zuletzt war ihm das vor zwei Jahren an gleicher Stelle gelungen, danach scheiterte er bei vier Versuchen im vergangenen und drei Versuchen in diesem Jahr. Kurz bevor er sich auf den Weg zum letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres 2014 machen wollte, erreichte ihn ein Anruf der Männertennis-Organisation ATP, bei dem ihm mitgeteilt wurde, seine Weltranglistenposition (235) reiche nicht für die Teilnahme.

Doch am nächsten Tag kam wieder ein Anruf, bei dem es dann auf einmal hieß, er sei nun doch dabei; das war am Montag vergangener Woche. Dienstagmorgen saß er im Flieger, am Nachmittag landete er in New York, gönnte sich eine noch kurze Trainingseinheit von einer halben Stunde und legte sich am Abend guter Dinge aufs Ohr.

In der ersten Nacht nach einem Flug von Ost nach West und mit sechs Stunden Zeitunterschied durchzuschlafen haut selten hin, aber Bachinger hatte damit kein Problem, fuhr am nächsten Tag ausgeruht nach Flushing Meadows, gewann das erste Spiel in der Qualifikation, in den folgenden Tagen zwei weitere Spiele und landete tatsächlich wie erhofft im Hauptfeld.

Und mit dem Gefühl, es könne nichts schiefgehen, fand er sich an einem traumhaft schönen Spätsommertag zum Spiel der ersten Runde gegen routinierten Tschechen Radek Stepanek ein (Ranglistenplatz 39) und gewann in drei zügig vorgetragenen Sätzen. Es war – acht Tage nachdem ihm mitgeteilt worden war, er sei nicht gut genug –, sein erster Sieg in der Hauptrunde eines Grand-Slam-Turniers. „Die ganze Woche lang“, meinte er danach höchst zufrieden, „hat alles geklappt.“

Zwei aus dem gleichen Jahrgang

Mal abgesehen von der Macht des Schicksals – hat er eine Erklärung dafür, warum er nun im fortgeschrittenen Alter von 27 Jahren schafft, was ihm in all den Jahren zuvor nie gelungen war? Er setze sich nicht mehr so unter Druck wie früher, sagt Bachinger, und genau das habe er auch im nächsten Spiel vor; da trifft er auf den Turniersieger des Jahres 2012, Andy Murray. Die beiden stammen aus dem gleichen Jahrgang und kennen sich aus Juniorenzeiten, die Wege trennten sich allerdings relativ früh; der eine machte sich Richtung Erste Liga auf den Weg, der andere trat oft auf der Stelle.

Normalerweise wäre der Schotte klarer Favorit in dieser Partie, aber die Umstände, unter denen er in der zweiten Runde landete, wirkten verwirrend. Beim Sieg in vier Sätzen gegen den Niederländer Robin Haase wurde er schon nach vergleichsweise kurzer Zeit von Krämpfen im ganzen Körper geplagt und konnte von Glück sagen, dass Haase am Ende nicht konsequent genug zupackte. Er könne sich das alles nicht erklären, meinte Murray hinterher. „Insgesamt ist es mir im Laufe eines langen Spiels sicher mal schlechter gegangen, aber noch nie schon nach anderthalb Stunden, und das gibt mir zu denken.“

Mal sehen, wie sich die Sache im Spiel gegen Bachinger darstellt, der sich auf einen Auftritt auf einem der sogenannten Showcourts freut und optimistisch ist, von der Welle der positiven Schwingungen getragen zu werden. Und auch Peter Gojowczyk landete aus der Qualifikation kommend in Runde zwei des Turniers.

Blasen unter dem Fuß

Im April hatte der Münchner die Welt des Tennis mit einem Sieg in fünf Sätzen gegen Jo Wilfried Tsonga beim Davis Cup in Nancy verblüfft und begeistert. Doch Probleme mit gemeinen Blasen unter dem Fuß stoppten seinen Lauf. Er machte fast einen Monat lang Pause, um die lädierten Füße zu pflegen, landete danach aber nicht annähernd auf dem Niveau des Spiels gegen Tsonga.

Nun geht es ihm wieder gut, und auch er freut sich auf einen Auftritt vor großem Publikum im Spiel gegen Milos Raonic, Nummer sechs der Welt. Im Juni hatte er den Kanadier in Halle auf Rasen besiegt, dieses Ergebnis und auch das Erlebnis beim dramatischen Spiel gegen Tsonga machen ihm Hoffnung, nun zum ersten Mal in Runde drei eines Grand-Slam-Turniers zu landen. Gegen eine Portion Kismet wäre auch in diesem Fall nichts einzuwenden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!