Deutsche Zahlungen an UN-Fonds eingestellt: Missverständnis um Milliarden

Deutschland zahlt nicht mehr an den UN-Aidsfonds - wegen einer missverständlichen Agenturmeldung. Vereinzelte Veruntreuung wurde hochgerechnet.

Treibt nicht nur auf der grünen Woche in Berlin Schabernack, sondern auch mit dem UN-Aidsfonds: Dirk Niebel. Bild: dpa

BERLIN taz | Gefälschte Unterschriften, fiktive Abrechnungen: Die Bekämpfung von Aids in Mauretanien ist offenbar ein Tummelplatz für Korruption. Von knapp 6,2 Millionen US-Dollar, die das Land vom "Globalen Fonds der Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose" zur Aidsbekämpfung erhalten hat, seien 4,1 Millionen, also zwei Drittel, "verlorengegangen", heißt es in einem internen Prüfbericht des UN-Fonds vom Oktober 2010. Mauretaniens Regierung habe zwar 1,7 Millionen zurückgezahlt, aber 2,4 Millionen stünden noch aus.

Weitere Unregelmäßigkeiten blieben möglicherweise unentdeckt, weil die UN-Entwicklungsagentur UNDP, die über die Hälfte der Aidsbekämpfungsgelder in Mauretanien verwaltet, den Fondsprüfern Einblick in ihre Bücher verweigere. Ähnliche Vorgänge melden die UN-Prüfer aus dem Nachbarland Mali. Besonders beliebt: Tagessätze für fiktive Teilnehmer an Weiterbildungsseminaren.

Wegen dieser Vorfälle hat Deutschland diese Woche seine Finanzierung für den UN-Fonds vorläufig ausgesetzt. "Ich nehme die Vorwürfe von Korruption und Untreue gegen den Globalen Fonds in den Medien sehr ernst", erklärte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) am Dienstag. "Alle weiteren Auszahlungen an den Fonds habe ich bis zur vollständigen Aufklärung gestoppt." Nächsten Montag soll es ein klärendes Gespräch beim Bundesentwicklungsministerium (BMZ) in Bonn geben.

Der UN-Fonds, wichtigstes internationales Programm zur Bekämpfung der drei tödlichsten Seuchen der Welt, ist über diese Vorgehensweise irritiert. Als Ergebnis einer Überprüfung der Fondsprogramme in 33 Ländern in Höhe von 2,4 Milliarden Dollar seien erhebliche Unregelmäßigkeiten in vier Ländern festgestellt worden, sagt Fondssprecher Andrew Hurst in Genf: Dschibuti, Mali, Mauretanien und Sambia. Als Ergebnis würden jetzt 34 Millionen Dollar zurückgefordert - "0,3 Prozent aller Gelder, die der Fonds ausgezahlt hat", heißt es in einer Erklärung. Die betroffenen Projekte seien eingefroren, strafrechtliche Ermittlungen im Gange.

Wieso also zieht Deutschland die Notbremse, drei Monate nachdem der UN-Fonds selbst aktiv geworden ist, was in Berlin durchaus bekannt war? Grund ist offenbar eine Meldung der Nachrichtenagentur AP (dt: DAPD) vom Montag: "Bis zu zwei Drittel der Hilfsgelder des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria werden einem Bericht zufolge von der Korruption in den Empfängerländern aufgefressen … So sei bei einer internen Untersuchung aufgedeckt worden, dass 67 Prozent der Summen für ein Anti-Aids-Programm in Mauretanien fehlgeleitet wurden."

Diese Angabe aus dem UN-Prüfbericht vom Oktober 2010 wird offenbar auf die gesamte Arbeit des UN-Fonds hochgerechnet. So kamen Meldungen zustande, wonach möglicherweise Aidsbekämpfungsgelder in Milliardenhöhe veruntreut worden seien.

Das sei "unverantwortlich, falsch und irreführend", erklärte am Dienstag der Globale Fonds. Das BMZ stoppte dennoch seine Zahlungen: "Wir haben der Presse entnommen, dass die Vorfälle eine wesentliche größere Dimension haben als bisher angenommen", sagt BMZ-Sprecher Sebastian Lesch. "Die Dimension ist jetzt eine andere."

Deutschland ist derzeit der drittgrößte Geber des Fonds und hat ihm seit seiner Gründung 2001 1,253 Milliarden Euro überwiesen. Die Zusagen ab 2011 belaufen sich auf 200 Millionen Euro jährlich. Nach BMZ-Angaben wird dies in vier Tranchen ausgezahlt, von denen die erste im Februar fällig gewesen wäre. Nach Fondsangaben überweist Berlin einmal im Jahr die Gesamtsumme. Es ist also fraglich, ob die Suspendierung überhaupt eine praktische Auswirkung hat.

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