■ Deutsche Waffen für türkische Angriffsoperationen: Ein gefährlicher Präzendenzfall
Jetzt herrscht endlich Klarheit. Der zahlreichen Lügen und Versteckspiele Kinkels und anderer Bonner Politiker bezüglich der Interpretation von Nato-Vertrag und bilateralen Rüstungshilfeabkommen mit der Türkei bedarf es nicht mehr. Mit der am Wochenende bekanntgegebenen Lieferung von 48 „Phantom“- Aufklärungsflugzeugen stellt sich die Bundesregierung offiziell hinter die völkerrechtswidrigen Handlungen der Regierung in Ankara. Deren Armee und Luftwaffe dringen derzeit fünf bzw. 30 Kilometer weit auf irakisches Gebiet vor, um — so Außenminister Cetin — „unsere eigenen Grenzen gegen die PKK- Terroristen zu sichern“. Bonn hat damit endgültig auch offiziell die Haltung der türkischen Regierung übernommen, wonach von fremdem Territorium operierende „Terroristen“ eine äußere Bedrohung darstellen, gegen die grenzüberschreitende Militäroperationen gerechtfertigt sind – unter Einsatz aller von Nato-Verbündeten gelieferten Waffen. Andere Nato-Staaten, allen voran Griechenland mit seinen Bedrohungsängsten vor Mazedonien, werden den hiermit geschaffenen Präzedenzfall zur Kenntnis nehmen und sich im Bedarfsfall darauf berufen. Künftig wird die Bundesregierung nicht mehr glaubwürdig protestieren können, sollte die Türkei die gelieferten Waffen auch in anderen, durchaus vorstellbaren Konflikten etwa mit GUS-Staaten einsetzen. Die Behauptung der Hardthöhe, die Aufklärungsflugzeuge ließen sich „nicht leicht“ zu Jagdbombern umrüsten, ist nicht nur falsch, sondern auch völlig belanglos. Auch Aufklärungsflugzeuge erfüllen eine wichtige Funktion bei militärischen Angriffsoperationen.
Der Schritt der Bundesregierung schafft letzte Klarheit darüber, daß der Rücktritt von Verteidigungsminister Stoltenberg im Frühjahr wegen der vom Bundestag zeitweise untersagten Auslieferung einiger Panzer an Ankara nur ein Bauernopfer war zur Beruhigung der aufgebrachten Öffentlichkeit. Zumal schon damals die Lieferung der 48 „Phantom“- Flugzeuge in Form von Umrüstungsarbeiten konkret in Vorbereitung war. Entsprechende Beweise hierfür lagen im März auch der SPD vor. Die Oppositionspartei griff sie jedoch nicht auf, etwa um einen umfassenden Beschluß des Bundestages gegen alle Rüstungslieferungen an die Türkei herbeizuführen. Für einen derartigen Beschluß schien seinerzeit eine ausreichende Anzahl von FDP- und CDU-Stimmen durchaus möglich. Doch der SPD reichte der Rücktritt Stoltenbergs rechtzeitig vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Andreas Zumach, Genf
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