Deutsche Bahn bei Twitter und Facebook: "Empathisanten" twittern mit
Die Bahn übt sich in Kundennähe. Sie betreibt nun einen Twitterkanal, um Anfragen schneller zu beantworten. Das Ganze erinnert an die "Sendung mit der Maus".
Die Bahn macht auf mobil: Überraschend pünktlich startete Mittwochmorgen die Social Media Kampagne der Deutschen Bahn. Über den Twitter-Account @db_bahn sollen ab sofort Kundenfragen über den öffentlichen Personenverkehr beantwortet werden.
Das ist zunächst einmal überraschend, denn bisher ist die Deutsche Bahn nicht als online-affin aufgefallen – flächendeckendes kostenloses Wlan in ICEs und auf den Bahnhöfen wird man wohl auch in Zukunft nicht erwarten dürfen. Und ohne Kreditkarte online ein Ticket zu bestellen gehört zu den schwierigsten Übungen im deutschen Netz. Die Bahn, das galt bisher als sicher, war so offline wie ein Toaster.
Und jetzt das: zwölf Mitarbeiter sollen sich um die Belange twitternder Kunden kümmern, mit 300 Anfragen täglich rechnen die Verantwortlichen, die "schnell, einfach und unkompliziert" beantwortet werden sollen. Wie zum Beweis, dass man die Gepflogenheiten des Web 2.0 beherrscht, werden einem die Bahn-Twitterer allesamt ohne Nachnamen vorgestellt: das schafft Nähe und erinnert auch sonst total an die Sendung mit der Maus.
Über andere Gründe kann man nur spekulieren, denn "Teamleiter Social Media Management" Daniel Backhaus stand am Mittwochvormittag für Interviewanfragen wegen "anderweitiger Verpflichtungen" nicht zur Verfügung.
Gute Stimmung eingekauft
Aber es soll trotzdem alles sehr kuschlig zugehen: zu diesem Zweck hat die Bahn "Empathisanten" angestellt, die jeden Tweet noch einmal gegenlesen. Sollte allzu harsche Kritik eingehen und ein Mitarbeiter unangemessen reagieren wollen, ist es die Aufgabe der Empathisanten, den Ton zu entschärfen und für gute Stimmung zu sorgen.
Was sich in den USA schon Standard ist, zeichnet sich auch in Deutschland ab: Twitter wird für immer mehr Unternehmen ein Kanal, um mit dem Kunden zu kommunizieren. Konzerne wie Opel oder die Telekom bedienen den Kanal schon länger – und nicht nur, um auf Pressemitteilungen hinzuweisen, sondern im Dialog mit den Nutzern.
Selbst wenn sich ein Kunde beschwert, ohne sich an die Redaktion zu wenden, wird reagiert: "Die Reaktionen sind sehr positiv, auch vom Tonfall her", sagt Luisa Vollmar von der Telekom, die Twitter seit Mai 2010 nutzt und Facebook seit September. "Das große Bashing ist ausgeblieben. Und hin und wieder schreiben die Leute auch einfach mal ein Lob." Obwohl es sehr viel mehr Facebook- als Twitternutzer gibt, sei der Aufwand für beide Plattformen ungefähr der gleiche: je ein Team aus sieben Mitgliedern kümmert sich um die Anfragen.
Von den Erfahrungen konnte auch die Bahn profitieren. Laut Vollmar hätten die Mitarbeiter von @Telekom_hilft die Bahn in ihrem Netzwerk aktiv gecoacht, mit Strategie, Prozessen und Erfahrungswerten. Zusätzlich seien sie in die Testphase eingebunden gewesen.
Vorbild Telekom
Bei der Bahn sind es allein für Twitter jetzt schon zwölf Angestellte. Auch hier ist Twitter der Testlauf zum Facebook-Profil, wo nach Vorbild der Telekom auch auf Beschwerden und Fragen reagiert werden soll. Für Vollmar ist der Start mit Twitter ein "Strategischer Einstieg" der Telekom gewesen: "Twitter ist schneller und gezielter in der Kommunikation, erzeugt schnell Reichweite und war in der reduzierten Form gut, um den Kundenservice über Social Media erstmal zu testen."
Im Netz stößt die Aktion der Bahn bisher auf viel Sympathie, weil sich viele freuen, einen Adressaten für ihre Beschwerden zu haben. Und auch die Skeptiker freuen sich, und zwar auf eine umfassende Dokumentation der DB-Unannehmlichkeiten.
Denn über die Bahn zu schimpfen, gehört zur Twitter-Folklore wie Kaffee-Statusmeldungen: Angesichts der vielen, vielen Tweets, die S-Bahn-Chaos in Berlin, Klimaanlagenausfälle und Verspätungen bisher produziert haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Team von Torsten, Marlen und Melanie bald Zuwachs bekommt.
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