Deutsch-Niederländische Nachbarschaft: Grenzkrieg fällt aus
Ein geplanter Windpark in der Nordsee vor Borkum wirft die Frage auf, wie genau die Seegrenze zwischen Deutschland und den Niederlanden verläuft. Aber beide Seiten suchen eine Verhandlungslösung.
Eine Antwort auf Energie-Probleme der Zukunft könnte er sein, doch die Planungen des Offshore-Windparks Riffgat geraten etwas ins Stocken - wegen ganz alter Fragen. Die Windräder sollen 15 Kilometer vor Borkum aufgestellt werden, der westlichsten ostfriesischen Insel. Irgendwo dort in der Nähe beginnen die Niederlande. Wo genau, ist hoch auf See umstritten - und das ist das Problem: Deutschland und die Niederlande sind sich nicht einig über den Grenzverlauf.
Den Windpark haben Unternehmen aus Deutschland geplant und dafür bei den hiesigen Behörden die nötigen Anträge gestellt. Denn nach deutscher Auffassung sind die sechs Quadratkilometer Meer, auf denen die Anlage entstehen soll, vollständig deutsches Territorium. Nach niederländischem Verständnis liegt ein Teil des geplanten Windparks in ihren Hoheitsgewässern. Und so gesehen reichen deutsche Genehmigungen natürlich nicht. Eigentlich.
Ein erneutes Genehmigungsverfahren würde das Projekt zurückwerfen - das Okay der deutschen Behörden für das Projekt ist Ende September gekommen, nach rund drei Jahren Planungszeit. Ende 2012 soll der Strom aus den Anlagen fließen - 100 Megawatt, genug für rund 100.000 Haushalte, verspricht der Energieversorger EWE, der den Windpark bauen lässt. Deshalb haben sich jetzt mehrere Landes- und Bundesbehörden und auch die Diplomatie des Falls angenommen - und es sieht wohl so aus, als wäre eine pragmatische Lösung möglich, das berichtet jedenfalls die Hannoversche Allgemeine Zeitung.
Nach ihren Informationen gab es schon ein Treffen in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin. Ergebnis: Es geht den Niederländern nicht so sehr um den Windpark. Ein Bau ausschließlich genehmigt von deutschen Behörden soll nur nicht so aussehen, als ob die Niederlande akzeptierten, dass der Baugrund des neuen Windparks zu Deutschland gehört. Wie das dokumentiert werden kann, ist offen. Bis zu diesem Zeitungsbericht war der Öffentlichkeit von diesen Problemen bei der Planung des Projekts nichts bekannt. Und erläutern will das in der Weihnachtswoche niemand öffentlich.
Das für Offshore-Projekte zuständige Verkehrsministerium beantwortet eine Anfrage dazu nicht, sein Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie verweist auf das Außenministerium, das sich nicht öffentlich äußern kann. Die niederländische Botschaft möchte keinen Kommentar abgeben. Und auch der Stromversorger EWE will sich nicht zu den Verhandlungen äußern. Wie es nun weitergehe, sei die "Angelegenheit zweier Staaten".
Wie viel des Meeres dem jeweiligen Anrainerstaat zusteht, war schon immer Gegenstand von großen Debatten. Bis in die 80er Jahre hinein galt: Eine Zone von drei Seemeilen, etwa fünfeinhalb Kilometer, ins Meer hinaus gehörte dem Staat, vor dessen Küste sie lag. Seit 1982 gibt es ein UN-Übereinkommen, das diese Zone auf zwölf Seemeilen ausweitet - etwa 22 Kilometer. Wenn die Gebiete sich überschneiden, müssen sich die Staaten einigen. Deutschland und die Niederlande haben das bisher nicht getan.
Dass solche Einigungen aber prinzipiell möglich sind, zeigt ein anderer Teil der Grenze: Denn auch wo die Grenze in der Emsmündung verläuft, ist umstritten - schon seit einem halben Jahrtausend. Deutschland beruft sich auf Urkunden aus dem 16. Jahrhundert. Hier haben beide Staaten allerdings schon 1962 eine pragmatische Lösung gefunden und im Ems-Dollart-Vertrag festgehalten, die Vorbild für die Zwölf-Meilen-Zone sein könnte: Es gibt keine Grenze im völkerrechtlichen Sinne - man arbeitet im "Geiste guter Nachbarschaft" zusammen.
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