Deutliche Verbesserung: Sauber bleiben - aber wie?
Pekings Luft war seit zehn Jahren nicht mehr so gut. Doch wie es jetzt mit der Umwelt weitergehen soll, ist unklar.
PEKING taz Als der kenianische Marathonläufer Samuel Kamau Wansiru am Sonntag im Vogelnest-Stadion als Erster durchs Ziel lief, hatte er in nur 2 Stunden, 6 Minuten und 32 Sekunden einem neuen Olympiarekord errungen. Die Strecke über 42,195 Kilometer führte durch ein ungewöhnlich schönes Peking, bei strahlender Sonne, blauem Himmel und klarer Luft. Die Metropole strahlte wie nie. Die Silhouette der Westberge war bis weit im Osten zu sehen. Günstige Winde, der Segen des beschränkten Fahrverbots und Fabrikstilllegungen hatten Sportlern, Bewohnern und Touristen einen wunderbaren Sommertag geschenkt.
Vergessen schienen die Sorgen über die gewöhnlich schlechte Pekinger Luft, die den asthmakranken Marathonstar Haile Gebrselassie gar dazu bewogen hatten, bei diesem Rennen gar nicht erst anzutreten. Nur die große Luftfeuchtigkeit und Hitze, die zuweilen im Stadion über vierzig Grad erreichte, machte den Sportlern in den vergangenen 16 Tagen zu schaffen. Aber: "Die Luft ist gut", bestätigten mehrere Sportler nach ihrem Wettkampf.
Auch der deutsche Klimaexperte Andreas Wahner, der die Situation Pekings seit Jahren zusammen mit lokalen Kollegen überprüft, war beeindruckt. Die Qualität sei "deutlich besser" geworden, sagte er in einem Interview. Der Schwefelgehalt in den Feinstäuben etwa sei auffällig gesunken, nachdem die Behörden auf Rat der Wissenschaftler in Kraftwerken schwefelärmere Kohle nutzten.
Pekings Meteorologen lächelten erfreut, als sie jetzt berichten konnten, dass die Luft in den Olympiatagen so gut war wie seit 1998 nicht mehr. Seitdem hatte die Stadt laut chinesischen Medien knapp 14 Milliarden Euro Maßnahmen zur Säuberung der Luft ausgegeben. Zahlreiche Fabriken in Peking und im Umland produzierten jetzt mit halber Kraft oder wurden stillgelegt. Auf den vielen Baustellen, die von bunt bedruckten Zäunen verdeckt sind, stehen die Kräne unbewegt, von wenigen übrig gebliebenen Wanderarbeitern bewacht. Die meisten Bautrupps sind aus der Stadt verschwunden. Bis zum 20. September, bis nach den Paralympischen Spielen, sollen diese Einschränkungen beibehalten werden.
Für viele kleinere Firmen ist das finanziell schwer auszuhalten. Die Arbeiter einiger Betriebe erhalten geringe Zahlungen dafür, dass sie zu Hause bleiben. Wie sich diese Einschränkungen insgesamt auf die Wirtschaft der Region auswirken, ist noch offen.
Seit dem 20. Juli fahren in Peking ein Drittel weniger als die üblichen 3,3 Millionen Autos. Privatwagen dürfen - je nach Nummernschildendziffer - nur an geraden oder ungeraden Tagen fahren. Für große Lkw, die besonders viele Schadstoffe ausstoßen, ist die Stadt ganz gesperrt.
"Man kann jetzt viel besser Fahrrad fahren", freut sich der Pekinger Computerspezialist Wang Dongliang, der sonst im dicken Verkehr täglich um sein Leben bangen muss. Aber auch dieser Tage standen viele Bewohner zeitweise im Stau. Niemand mag sich ausmalen, wie es sein wird, wenn auch die andere Autos wieder fahren. "Hoffentlich entscheiden sie sich, das Autofahrverbot im Wechsel beizubehalten", sagt Radfahrer Wang, "das ist doch viel besser für Peking."
Wie Wang denken viele Pekinger, doch so weit ist es noch nicht. "Wir müssen erst mal die Meinung der Öffentlichkeit einholen", sagt Verkehrsamtschef Wang Li, "ob und wie wir die neuen Regeln weiterführen sollen." Bislang hatten die zuständigen Beamten stets argumentiert, die Autoindustrie sei zu wichtig für den Wohlstand der Bevölkerung, weshalb man den Verkehr auf Dauer nicht beschränken wolle.
In Shanghai waren die Behörden bislang mutiger: Dort werden die Kennzeichen so teuer versteigert, dass sie nicht selten mehr kosten als das Auto selbst - und viele sich den ersehnten Privatwagen daher nicht leisten können. Ein hoher Funktionär des Umweltamtes kündigte in Peking an, auch nach Olympia verstärkt gegen Dreckschleudern unter den Lkw vorzugehen und dafür zu sorgen, die Staubbelastung durch die vielen Baustellen zu senken.
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