Des Teufels Gebetbuch aus dem Heiligen Land?

Die Ursprünge des Kartenspiels sind ungeklärt/ Ältester Hinweis aus dem Jahre 1377/ Spielkartensteuer seit 1878  ■ Von Ulli Kulke

Wir werden uns wohl damit abfinden müssen: Es gibt Dinge aus dem Dunkel der Weltgeschichte, die die Wissenschaft nie mehr vollständig erhellen wird, wie etwa die Sache mit dem Huhn und dem Ei. Ähnlich ungeklärt werden die Ursprünge des Kartenspiels bleiben. Kartenforscher Roger Tilley bringt es in seinem Standardwerk Spielkarten auf den Punkt: „Die Hypothesen über den Ursprung der Spielkarten sind zahlreich, meist unwahrscheinlich, gelegentlich romantisch und in keinem Falle beweiskräftig.“

Lange Jahre ging man davon aus, daß die rechteckigen Pappkärtlein aus dem geheimnisvollen Osten von noch geheimnisvolleren „Zigeunern“ eingeführt wurden — bis man feststellte, daß in Europa schon zur Karte gegriffen wurde, längst bevor der erste „Zigeuner“, aus seiner Heimat Indien kommend, europäischen Boden betreten hatte. Im Gegenteil: die neuere Forschung geht eher davon aus, daß es portugiesische Matrosen waren, die Karten westlichen Typs im 16.Jahrhundert nach Indien brachten. Andere sehen die Ursprünge im vorderen Orient und meinen, daß Gottfried von Bouillon bei der Rückkehr vom ersten Kreuzzug ausgerechnet aus dem Heiligen Land das mitgebracht haben soll, was man heute als „Des Teufels Gebetbuch“ bezeichnet: das Kartenspiel. Wer mag so etwas schon glauben? Ebensowenig hielt die Theorie einer genaueren Prüfung stand, die Karten seien zum Plaisier des geisteskranken König Karl erfunden worden.

Der älteste heute noch dokumentierte Hinweis auf Spielkarten stammt vom deutschen Mönch Johannes, einem passionierten Kartenbruder, aus dem Jahre 1377. Doch es dauerte damals nicht lange, da mußte die noch junge Spieldisziplin die ersten Rückschläge hinnehmen: Bereits im Folgejahr 1378 nämlich wurde per Erlaß der ach so freien Reichsstadt Regensburg das erste Verbot von Spielkarten verkündet, wie ein Dokument bezeugt.

Noch unklarer als die genauen Erfindungsdaten dieser Art des Zockens sind natürlich die Details der damaligen Spielregeln. Die gesamte Vielfalt der traditionellen Spiele wie Skat, Tarok, Whist haben alle ihre eigenen Vorläufer. Darunter waren reine Glücksspiele, aber auch sogenannte „Kammer- oder Kommerzspiele“, bei denen auch die Verstandeskräfte eingesetzt werden mußten, nachdem einmal ausgeteilt war.

Auffällig ist indes, daß es bereits sehr früh eine Einteilung des „Spielgeräts“ gab, die der heutigen — Karo, Herz, Pik und Kreuz — entspricht. Bereits im 15.Jahrhundert ist die Rede von Schwertern, Bechern, Münzen und Stäben. Eifrige Soziologen haben daraus sofort die Abbildung der damaligen Gesellschaft herausinterpretiert: Schwerter für die Ritter, Kelche für die Geistlichkeit, Münzen für die handeltreibende Mittelschicht und die Keulen für Bauern und Soldaten. Warum auch nicht, fragt sich der Kundige, der auch heute noch mit Königen, Bauern und Damen hantiert. Oder hat hier die andere Schule der Kartenforschung recht, die Tilley — wohl nicht zu Unrecht — als „zweifellos geschworene Feinde des Kartenspiels“ einordnet? Sie kanzelt Schwerter und Keulen als Sinnbild von Gewalt ab, setzt die Münzen mit Verschwendungs- und die Becher mit der Trunksucht gleich. Was aber, so fragt sich der unbefangene Kartenspieler, veranlaßt diese Menschen zur Forschung an einem Objekt, für das sie eigentlich nur Verachtung spüren?

Konkreter sind die Kenntnisse über das Kartenwesen aus dem vergangenen Jahrhundert. Dies vor allem deshalb, weil es zunehmend um Geld ging — staatliches zumal, und in so einem Fall ist das Ganze meist in ordnungsgemäßen bürokratischen Dokumenten überliefert: „Nicht gestempelte Spielkarten unterliegen der Einziehung. Wer solche Karten feilhält, veräußert, verteilt, erwirbt, damit spielt oder sie wissentlich in Gewahrsam hat, verfällt für jedes Spiel in eine Strafe von 30Mark.“ Diese Sorge um den Stempel auf den Karten, ausgedrückt im Reichsgesetzblatt von 1878, galt weniger der Abwehr gezinkter Karten als vielmehr der „Spielkartensteuer“, für deren Entrichtung der „Stempel“ die Quittung war und die auch in unserer Zeit noch eine Rolle spielt — als eine der Bagatellsteuern. Auf alles, was Spaß macht, den Alkohol-, den Tabak- und auch den Kartengenuß hat der Fiskus eben seit altersher ein Auge geworfen, dies insbesondere seit klar wurde, daß Verbote nicht durchzusetzen waren.

War jene Spielkartensteuer eine staatliche Förderung des Skatspiels? Heute könnte man dies rückwirkend so sehen. Immerhin betrug die Stempelgebühr für Spiele bis zu 36 Karten, also auch das „Skatblatt“, 30Pfennig, für solche mit mehr Karten — die älteren Spiele hatten zumeist weit mehr — mußten dagegen 50Pfennig berappt werden.

So oder so, der Siegeszug des Skatspiels wäre zu jenen Zeiten ohnehin nicht mehr aufzuhalten gewesen, seit sein Spiritus Rector, der Altenburger Advokat Friedrich Ferdinand Hempel, es zu seiner und seines illustren Freundeskreises Sache erkoren hatte. 1818 in seiner Zeitung 'Osterländische Blätter‘ zum ersten Mal erwähnt, wurde es von Hempel und seinen Skatbrüdern — unter ihnen der Lexikon-Verleger Friedrich A. Brockhaus — ständig weiterentwickelt. Der Ratskopist Carl Neefe war es, der die „Spitzen- oder Matadorenrechnung“, Grundlage für das beim Skat heute so treffliche Reizen, erfand. Immerhin schafften es diese Honoratioren, daß der „Deutsche Einheitsskat“ kaum eine Regelfrage offen läßt.