piwik no script img

Des Senders neue Kleider

■ Medienwächter Victor Henle meint, daß die umstrittene Lizenz von Pro7 bei Umwandlung in eine Aktiengesellschaft nicht einfach verlängert werden kann

Wenn 3.000 taz-Leser und -Leserinnen Anteilscheine an ihrer Zeitung gekauft haben, warum sollte das bei den ZuschauerInnen von Pro 7 (Marktanteil: gut 10 Prozent) nicht möglich sein? Seit letzten Freitag ist bekannt, daß Pro7 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll. Allerdings nicht, weil man, wie seinerzeit die taz, dringend Geld braucht. Davon hat der Sender, dessen Hauptgesellschafter Leo Kirchs Sohn Thomas ist, dank sagenhafter Wachstumsraten im Werbegeschäft (Umsatz 1994: über eine Milliarde), durchaus genug.

Was Pro 7 Sorgen bereitet, ist die Lizenz: Die läuft nämlich im Herbst nächsten Jahres aus, und eine satte Zweidrittelmehrheit der deutschen Medienwächter hatte schon arge Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der bisherigen Lizenz. Zu viele Anzeichen gibt es, daß hinter dem Sender eigentlich Leo Kirch steckt, der auch schon an SAT.1 und dem Deutschen Sportfernsehen beteiligt ist.

Pro Sieben will nun „Beweglichkeit“ demonstrieren (so Geschäftsführer Klaus Piette zur taz) – mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Offenbar, so ist aus verschiedenen Quellen zu hören, soll zunächst die Rechtsform geändert werden, später will man, in einem zweiten Schritt, an die Börse gehen und Aktien breit streuen.

Ob der Coup gelingt, damit die Lizenz zu sichern, ist fraglich. Volksaktien – das mag ja gut klingen, doch die Kontrolleure von den Landesmedienanstalten, die heute in Frankfurt zusammensitzen, werden fragen: Wer kontrolliert dann den Laden?

Victor Henle, Direktor der thüringischen Medienanstalt, federführend für den Konzentrationsbericht 1994 zum Privatfernsehen verantwortlich, sagt auf Anfrage der taz kategorisch: „Der Rundfunkstaatsvertrag verbietet zwar nicht ausdrücklich, aber dem Sinn nach Aktiengesellschaften.“ Daß sich für eine Lizenz mehrere Anbieter zusammenschließen müssen, solle ja gerade Pluralität und Transparenz garantieren – die aber seien bei anonymem Kapital überhaupt nicht zu kontrollieren.

Als abschreckendes Beispiel nennt er pikanterweise Axel Springers Erfahrungen mit Leo Kirch: „Selbst mit Hilfe von Inhaberaktien (deren Verkauf genehmigt werden muß, die Red.) konnte Springer damals den Einzug von Kirch in seinen Konzern nicht verhindern.“ Henle weist darauf hin, daß man bis heute nicht genau wisse, über welchen Aktienanteil Kirch bei Springer verfüge. Für „bedenklich“ hält er es auch, daß der neue Musikspartenkanal Com-TV eine Lizenz bekommen hat, obwohl er zu 100 Prozent einem Unternehmen gehört, hinter dem nicht weniger als fünf Investmentgesellschaften aus der Karibik stehen.

Außerdem gibt es im Fall Pro7 noch einen Widerspruch von 10 der 15 Medienanstalten gegen die „Unbedenklichkeit“ der Lizenz. Durch einen „Kleidertausch“,so Henle, werde jedenfalls keiner der Einwände beseitigt. Auch trüge die Hoffnung, die Lizenz mit einer „Pro Sieben AG“ schneller unter Dach und Fach zu bekommen: „Wenn der Rechtsträger sich ändert, braucht es eine völlig neue Zulassung, mit Auflagen, die sich nach den Besonderheiten des Aktienrechts richten. Das ist in einem Vierteljahr nicht zu machen.“ Michael Rediske

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen