Auf der Bühne so gut wie nirgendwo sonst: „Bernd Begemann & Die Befreiung“ im Phonodrome : Des Entertainers neuer Rock
Kaum steht der Hamburger Sänger und Gitarrist Bernd Begemann auf der Bühne, hat er diesen Bewegungsdrang: Es durchzuckt ihn, er schüttelt den Kopf, schwingt mit den Armen. Dieser Mann kann nicht stillstehen – und muss oft schon nach dem ersten Stück seine lästige Krawatte loswerden.
Begemann betreibt Pop-Unterhaltungskunst auf allerhöchstem Niveau; er ist ein Alleskönner des deutschen Undergrounds, dessen Liebeslieder zu den schönsten Blüten des Fachs gerechnet werden dürfen. Die Liebe tut weh und ist grausam, trotzdem geht es nicht ohne: Was sich nach einer alten Binsenweisheit (nicht nur) der Popmusik anhört, klingt in Begemanns Gitarrenstücken wie eine neue Lebensphilosophie. „Sie ist grausam, aber keine Liebe schmerzt.“ So – und nur so – klingt eine typische Begemann-Zeile.
„Unsere Band ist am Ende“, „Bleib‘ Zuhause im Sommer“, „Fernsehen mit Deiner Schwester“ – der Hamburger geizt in Konzerten nicht mit seinen bekanntesten Stücken, mit denen er seit den frühen 90er Jahren unterwegs ist. Ein Mann auf Dauertournee, ein harter Hund im Showgeschäft. „Unsere Liebe ist ein Aufstand!“ ruft Begemann jeden Abend in die Runde – und, wenn man Glück hat, auch eine andere, wärmendere Zeile: „Das Beste an mir sind wir.“
Sein Gitarrenspiel folgt vor allem dem Gesang, einige durch den Raum hallende, hart geschlagene Akkorde, kleine Fingerpickings, eher kurze Kommentare zum Gesungenen als richtige Popstücke. Vor allem aber ist Begemann das, was manche eine Rampensau nennen: Wenn er sich in „Dein Ex spielt verrückt“ die Haare rauft und so tut, als würde er gegen Mülltonnen treten, dann ist Begemann beinahe mehr Schauspieler als Musiker, ein Mann für die Theaterbühne, für einen nervenaufreibenden Liebesfilm, ach was: beinahe in jeder Rolle einsetzbar.
Sein Publikum ist stets begeistert und nervt ein wenig mit dem ewigen Mitgesinge. Bei „Gut im Bett aber nirgendwo sonst“ werden auch im Phonodrome wieder alle Dämme brechen – und der ganze Laden wird mit Inbrunst die tragische Geschichte eines Paares singen, bei dem es – außer im Bett – leider nirgendwo klappt. Und dann wird Begemann von einer anderen, unglücklichen, verzweifelten Liebe erzählen, unentschlossen im Kreis herumlaufen und Hilfe suchend in Richtung Himmel blicken.
Hilfe kommt an diesem Abend eher von der Seite und von hinten. Neu ist nämlich: Begemann hat eine Begleitband dabei, die sich Die Befreiung nennt. Drei Hamburger Jungspunde an Bass, Keyboard und Schlagzeug, mit denen B.B. flugs ein neues Album beim Hamburger Label Grand Hotel Van Cleef eingespielt hat. Und – Überraschung! – als Quartett rockt das richtig, treibt die manchmal ein bisschen schlonzigen Begemann-Songs ordentlich nach vorne, klingt juvenil, zackig, wie ein Neuanfang. Und ja, auch wie eine Befreiung. Nach dem Konzert gibts noch eine Aftershow-Party in der Weltbühne mit dem rührigen Grand Hotel Van Cleef-DJ-Team und seinen schwingenden Scheiben. Marc Peschke
Sa, 20.30 Uhr, Phonodrome