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Archiv-Artikel

Der west-östliche Harem

AUSSTELLUNG Shannon Bool spinnt die GAK in ein Ornament ein, das über alte flämische Meister, eine Treppe und eine Sekt-Bar fast direkt in Pamela Andersons Schlafzimmer führt

Den senkrechten Ausdruck eines horizontalen Begehrens hat Shannon Bool aus Nickel- und Messing-Elementen zusammengesetzt

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Die Geschichte von Hans Memlings Teppich führt ins Schlafzimmer von Pamela Anderson, allerdings nicht auf geradem Wege, und nicht einmal unbedingt. Denn in den Verschlingungen eines Ornaments kann das Auge sich verfangen, die Richtung verlieren. Und das Ornament ist die Figur, die Shannon Bools Ausstellung in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst am nächsten kommt.

„Inverted Harem“ heißt die, sie ist am 27. November eröffnet worden – und auf markante Weise heterogen: Teppiche, Batiken, in der Nische rechts eine Bar mit duftenden Südfrüchten, kühlem Sekt und Äpfeln, hinten links eine Treppe, an den Wänden mehrere großformatige Fotogramme – also den Apparat überlistende Bilder – und insgesamt drei Tabledance-Stangen, verfremdet und unregelmäßig im Raum platziert, der wiederum vorne das schwächliche Dezembertageslicht einlässt, hinten jedoch abgedichtet ist… wie soll das zusammen hängen?

Ornamental ist da die knappste Antwort, wenn auch etwas nichtssagend, und natürlich, vom Reizwort Harem im Titel inspiriert: Neben erotischen Männerfantasien des 19. Jahrhunderts bedeutet Harem vor allem Orient und Orient = Ornament, das ist doch klar, und das künstlerische Medium des Orients ist der Teppich. Aber was hat Renaissance-Maler Hans Memling wieder damit zu tun? Überraschend viel sogar: Denn die Frühneuzeitler liebten Teppiche, auch weil’s möglich war, sich mit ihnen ans Perspektivische heranzutasten. Nach ihren Gemälden hat die beginnende Teppichforschung im 19. Jahrhunder deren Schmuckfiguren zu bestimmen versucht.

Ein Memling-Stillleben mit Vase auf Teppich auf Truhe hat Bool wiederum in eine Web-Vorlage übersetzt, die sie in einer anatolischen Werkstatt hat knüpfen lassen – mit der Aussparung für den Blumenkrug und samt der Verschiebungen, die durch die Simulation räumlicher Tiefe und den Knick des Truhenrandes entstehen. Ziemlich schräg. Und ziemlich aussagekräftig: Das westliche Bild eines morgenländischen Artefakts offenbart, beim Rücktransfer ins Ausgangsmedium – Deformationen. Der Orient des Abendlandes wird, invertiert, als Fantasma erkennbar.

Fantasmen sind nix schlimmes, in der Kunst. Im Gegenteil ist es interessant, sie wiederum künstlerisch zu erforschen, wie Bool es tut. Etwa mit Seidenmalerei: Eines der dünnen Tücher scheint ein schwül-romantisches Odaliskenmotiv aus der Pariser akademischen Schule des 19. Jahrhunderts aufzunehmen; ein anderes die Tarot-Karten Reprise der hinduistischen Todesgöttin. Diese Seidentücher sind, konsequent, mit verfremdeten Striptease-Tanzstangen konfrontiert. Eine von ihnen heißt, sehr prägnant: „Ein senkrechter Ausdruck eines horizontalen Begehrens“ und ist aus Nickel und aus Messing-Elementen zusammengesetzt: Nickel aus Tradition, und Messing aus fast nostalgischem Grund. Denn Bool ist 1972 in Comox geboren. Das liegt keine 140 Kilometer nördlich vom Örtchen Ladysmith, dessen berühmteste Tochter Pamela Anderson ist. Und die, aber vielleicht ist das auch nur eine Legende, hat so eine Stange, ganz aus Messing. Im Schlafzimmer.

GAK, Teerhof 21 Bis 30. Januar