: Der pfeilgeschwinde Alaskaner
■ Der US-Amerikaner Tommy Moe gewann den olympischen Abfahrtslauf und verdarb den Norwegern um vier Hundertstel ihr nationales Freudenfest
Berlin (taz/dpa) – Ein blauer Himmel wölbte sich über der 3.035 Meter langen Piste von Kvitfjell, mit 18 Grad minus herrschten die einem olympischen Abfahrtslauf angemessenen Temperaturen und 40.000 frohgelaunte Zuschauerinnen und Zuschauer, die meisten mit einem kleinen oder größeren norwegischen Fähnlein in der eisgekühlten Hand, warteten darauf, daß ihr Landsmann Kjetil-Andre Aamodt die erste Goldmedaille für das Gastgeberland der Olympischen Winterspiele holen würde.
Und zunächst schien auch alles nach Plan zu laufen. Mit der Startnummer 1 hatte Marc Girardelli einen nahezu fehlerfreien Lauf hingelegt und alles deutete darauf hin, daß jeder, der schneller fuhr als der Luxemburger, zumindest eine Medaille fast sicher hatte. Aamodt fuhr schneller und zwar gleich um 40 Hundertstel. Die ohnehin vorhandene Siegesstimmung schlug in blanke Ausgelassenheit um, währte aber nur wenige Minuten.
Denn oben stand schon der US- Amerikaner Tommy Moe bereit, um den Norwegern kräftig in ihr nationales Süppchen zu spucken. Wie einst Henrik Ibsens Peer Gynt („Dort lang stoben pfeilgeschwind, er und ich durch Wetter und Wind“) meisterte er den „Rentierritt“ und den „Luchspfad“ ebenso perfekt wie den „Winther-Sprung“ und die „Elch-Traverse“, und als der 23jährige die Ziellinie überquerte, war er winzige vier Hundertstel schneller als Aamodt. Gold für den in Alaska lebenden Mann aus Montana, für Norwegen blieb nur Silber.
Marc Girardelli ging schließlich sogar leer aus, der Kanadier Ed Podivinsky, der Bronze holte und der Österreicher Patrick Ortlieb, Olympiasieger 1992, verdrängten ihn auf den fünften Rang. Der 30jährige nahm es gelassen und witzelte: „Die Medaille ist sowieso nicht mehr aus Gold.“
Olympische Verlierer waren wie immer die Schweizer, bei denen es Franz Heinzer, gerade von einer Verletzung genesen, besonders hinterhältig erwischte. Ihm ging schon beim Start die rechte Bindung auf, der Ski trat seinen Weg allein an, während Heinzer oben stand und mit seinem Stock große Löcher in kleine Schneehügel hieb.
Ebenfalls glücklos die deutschen Vertreter. Markus Wasmeier, dem Cheftrainer Oßwald einen Platz unter den ersten Fünf zugetraut hatte, reihte einen Fehler an den anderen und wurde 36. Das sei nicht sein Rennen gewesen, gestand der Riesenslalom-Weltmeister von 1985, „aber vor zwei Jahren habe ich mich viel mehr geärgert, als ich wegen eines kleinen Fehlers an einer Medaille vorbeigefahren bin. Heute waren es viele große Fehler.“ Etwas besser kam Hansjörg Tauscher zu Tal. Der Oberstdorfer landete auf Rang 25.
Absoluter König des ersten Olympiatages war jedoch Tommy Moe, der sich, während sein Vater mit einer einsamen Alaskafahne durchs norwegische Flaggenmeer wuselte, zudem über eine besondere Gratulantin freuen durfte, Hillary Clinton persönlich: „Ich bin richtig stolz, daß sie hier ist und mir die Hand gedrückt hat“, sagte der zweite Abfahrts-Olympiasieger der USA. 1984 hatte Bill Johnson Gold gewonnen. In Sarajevo.
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