Zeller-Äußerungen : Der peinliche Provokateur
Nicht nur die anwesenden Journalisten schüttelten den Kopf. Auch mancher CDU-Delegierte wird sich gefragt haben, was sich der Landesvorsitzende Joachim Zeller bei seinen Worten gedacht hat: „Wenn wir die Stadt von dem Linksblock befreien, das ist dann der Tag der Befreiung für Berlin.“ Später nennt er seine Worte einen „Fehler“. Den 8. Mai 1945 und die Abwahl einer demokratisch gewählten Landesregierung will Zeller nicht verglichen haben, sagt er jetzt. Natürlich hat er das. Es sei denn, der CDU-Chef hat noch einen anderen „Tag der Befreiung“ in petto. Die Frage ist nicht, ob Zeller den Vergleich gezogen hat. Die Frage ist: Warum?
Kommentar von Matthias Lohre
Zellers Worte waren eine gezielte Provokation, geplant und vom Redemanuskript abgelesen. Sie laufen auf einen Vergleich der demokratischen Regierung Berlins mit dem faschistischen Naziregime hinaus. Mit wortreicher Empörung bei SPD und PDS wird er gerechnet haben. Doch die Worte des glücklosen Parteichefs waren an eine andere Adresse gerichtet: an die überwiegend kleinbürgerlichen CDU-Mitglieder. Von ihnen will sich Zeller beim Landesparteitag am 28. Mai wiederwählen lassen.
Die CDU ist so sehr in interne Machtkämpfen verwickelt, dass ihr der Blick auf ihre Außenwirkung abhanden gekommen ist. 25 Prozent der Wählerstimmen lassen sich mit Kalter-Krieg-Rhetorik maximal binden. Doch für die Macht braucht die Union auch die liberalen Großstädter. Der Integrationsbefürworter Zeller galt lange als jemand, der diese Schicht anspricht. Jetzt tut er alles, um sie wieder abzuschrecken.
CDUler, die es gemeinhin gut mit ihrem Vorsitzenden meinen, sagen: Vielleicht habe Zeller nicht verstanden, welche Brisanz seine Worte entfalten würden. Was eine Entschuldigung sein soll, ist vielmehr eine Bankrotterklärung. Zeller hat aus Berechnung vom „Tag der Befreiung“ schwadroniert. Sein Zurückrudern wird ihm von der kleinbürgerlichen Klientel als fehlendes Rückgrat ausgelegt werden. Das festigt nicht seinen Posten als Landesvorsitzender.
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