■ Das Diepgen des Tages: Der ominöse Taxifahrer
Kennen Sie den? Den Berliner Taxifahrer, der Trittin nicht kutschieren wollte? Sie kennen ihn nicht, wir kennen ihn nicht, niemand kennt ihn – aber es gibt ihn. Jedenfalls, wenn man glaubt, was bei Reuters tickert. Dabei besitzt der unbekannte Droschkenfahrer durchaus das, was man seinen Kollegen kaum zutraut – Fantasie.
Am Alexanderplatz habe, berichtet der unbekannte Taxifahrer, Bundesumweltminister Jürgen Trittin vor einigen Tagen ziemlich einsam da gestanden, vergeblich den Daumen raushaltend. An der Autobahn könnte man ja noch verstehen, dass ein Mann mit schickem Anzug so verdächtig wirkt, dass ihn niemand mitnehmen will – aber am Taxistand?
Als die Fahrer vom Alex Trittin erblickten, seien sie, sagt der Informant, sofort ausgestiegen aus ihren Droschken. Kein Wunder, wer Auto fahren so teuer machen will, dass nur Leute in Designeranzügen in den Genuss kommen können, im Stau zu stehen, der soll gefälligst laufen.
Die Taxifahrer, mit Wut im Bierbauch, haben sich noch mehr ausgedacht, um Trittin nicht mitnehmen zu müssen. Einige hätten gar mit geöffneter Haube einen Motorschaden vorgetäuscht – Altautos für den Minister. Und dann, berichtet der große Unbekannte, sei Trittin in arge Bedrängnis geraten. Passanten hätten unflätige Schimpfwörter gegen den grünen Minister ausgestoßen. Und zwar so heftig, dass dieser zu Fuß das Weite suchen musste.
Warum aber blieb ihm der Taxifahrer nicht auf den Fersen? Eine Verfolgungsjagd auf der Karl-Liebknecht-Straße – das wäre ein Spaß gewesen! Schnell wie ein Castor rennt Trittin Richtung Brandenburger Tor; die Menge, die hinter ihm her ist, schwillt bedrohlich an. „Tritt ihn!“, skandiert sie. Am Palast der Republik holt sie ihn schließlich ein: Lynchjustiz auf dem Parkplatz. Eine Knaller-Geschichte – wenn sie wahr wäre. Molly Bluhm
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