: Der merkwürdige Schuss von hinten
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen einen 50-jährigen Polizisten wegen fährlässiger Tötung eingeleitet. Der Zivilfahnder hatte bei einer Fahrzeugkontrolle einen 27-Jährigen erschossen
Es hat lange gedauert, doch jetzt ist es amtlich: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen einen 50-jährigen Polizisten wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Er hatte am 26. Juni am Hamburger Rathaus bei einer Fahrzeugkontrolle einen mutmaßlichen Scheckkartenbetrüger von hinten erschossen. Was die Polizei bisher über den Vorfall herausgefunden hat, will der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger, nicht sagen: „Die Ermittlungen dauern noch an“, sagt er.
Den langen Zeitraum der polizeilichen Ermittlungen führt Bagger auf den „komplizierten Sachverhalt“ zurück. „Es mussten diverse Gutachten erstellt werden“, sagt Bagger. So musste unter anderem geklärt werden, ob sich der Schuss aus der Dienstwaffe versehentlich gelöst haben könnte. Aus Ermittlerkreisen ist zu erfahren, dass auch der Schusswinkel einige „Merkwürdigkeiten“ aufgewiesen habe.
Zudem musste geklärt werden, ob die Lichtverhältnisse eine optische Täuschung hervorgerufen haben könnten, so dass der Fahnder glaubte, eine Waffe gesehen zu haben. Ob der beschuldigte Beamte zu den Vorgängen Angaben gemacht hat, ist von Oberstaatsanwalt Bagger nicht zu erfahren: „Dazu sagen wir grundsätzlich im Ermittlungsstadium nichts“, wiegelt er ab. Vermutlich schweigt jedoch der Polizist, der sich einen Anwalt genommen hat. Zumindest vor der Mordkommission hatte er nicht ausgesagt. Inzwischen hat das Dezernat Interne Ermittlungen die Federführung in dem Fall übernommen.
Der Zwischenfall hatte sich – wie berichtet – gegen drei Uhr morgens ereignet. Mehrere Zivilfahnder wollen beobachtet haben, wie ein 27-Jähriger Rumäne und sein 31-jähriger Landsmann mit manipulierten EC-Karten an mehreren Bankautomaten Geld abgehoben haben. Vor dem Rathaus entschlossen sich die sieben Fahnder, den Renault mit britschem Kennzeichen zu stoppen. Eine Streife drängte den Wagen auf die Gegenfahrbahn ab, ein zweiter Pkw kam mit Aufblendlicht entgegen, das dritte Fahrzeug keilte den Wagen von hinter ein. „Halt, Polizei!“, wurde gerufen.
Der 50-jährige Zivilfahnder trat von hinten mit entsicherter Dienstwaffe an den Renault heran. Dann fiel der Schuss, der das hintere rechte Seitenfenster durchschlug und den Fahrer so schwer verletzte, dass er noch am Tatort starb. Es stellte sich schnell heraus, dass der Getötete zwar gefälschte Scheckkarten besaß, das Duo jedoch unbewaffnet war. KAI VON APPEN